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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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weiter draußen vom Dunst verschluckt wurden. Dann dreht er sich um und pfiff leise. Gleich darauf huschte ein zweiter Schatten heran und zeigte sich als eine zerlumpte Frau, die ein kleines Kind auf der Hüfte trug. Der Mann winkte sie zu sich her und sagte mit unterdrückter Stimme: »Siehst du die Pflöcke draußen im See? Dort haben die Fischer ihre Reusen festgemacht. Jetzt gibt es gleich Frühstück. Setz dich inzwischen auf den Steg!«
    Während die Frau sich ächzend auf die Bretter niederhockte und leise mit dem Kind sprach, machte der Mann den Kahn los und stakte hinüber zu den Pflöcken, die an der Grenze, wo die Wasserfläche schon mit dem Nebel zu verschmelzen begann, kaum spannenhoch aus dem Wasser ragten. Dort beugte er sich über den Bootsrand, tastete mit der Hand in die Tiefe und hob gleich darauf eine Reuse aus dichtem Weidengeflecht an Bord. Er steckte die Hand in das Einschlupfloch, fuhr mit dem Arm bis an die Achsel hinein und zog der Reihe nach drei fette Aale heraus, die sich in seinem Griff wie schwarze, feucht glänzende Schlangen wanden, als er sie hochhielt, um der Frau seine Beute zu zeigen. Er steckte die Aale in seinen Ledersack und leerte auf gleiche Weise noch drei weitere Reusen, warf sie dann wieder über Bord, daß das Wasser platschend aufspritzte, und stakte zurück zum Steg.
    »Warum hast du ihnen den ganzen Fang genommen?« fragte die Frau. »Zwei oder drei Aale hätten sie nicht vermißt, und wir wären satt geworden; aber jetzt werden die Fischer wütend sein und nach dem Dieb suchen.«
    Der Mann lachte böse auf und sagte: »Vielleicht will ich’s, daß sie’s merken, diese fetten Fischer, die hier in aller Bequemlichkeit am Ufer sitzen und darauf warten, daß der Grüne ihnen die Beute in die Netze treibt, während unsereiner nichts zum Beißen hat. Außerdem können wir die Aale am Feuer räuchern, und haben dann einen Vorrat, von dem wir eine Weile zehren können.«
    »Es ist trotzdem nicht recht«, sagte die Frau.
    Der Mann fuhr wütend herum und knurrte: »Recht oder nicht recht! Wessen Recht meinst du denn? Das der Fischer? Oder das der Bettler und Landfahrer? Ist es recht, daß dein Kind hungern muß?«
    Die Frau wollte ihm antworten, doch da fing ihr Kind an zu weinen. Sie wiegte es in ihren Armen und sagte in beruhigendem Singsang:
    »Weine nicht, Kindchen,
    gleich koch ich ein Süppchen,
    ist’s zu heiß für dein Mündchen,
    dann blas ich ein bißchen
    und geb dir ein Schlückchen
    und geb dir ein Bröckchen,
    bis satt ist mein Kindchen.«
    Und dann setzte sie mit normaler Stimme hinzu: »Wenn’s auch nur Aalsuppe ist.«
    Der Mann hatte inzwischen dürres Schilf und ein paar Stücke Treibholz zusammengesucht, holte dann einen Henkeltopf aus seinem Sack und füllte ihn mit Wasser. Aus ein paar Holzstücken baute er mit geübten Griffen ein Gestell, an dem er den Topf über einem Häufchen von Schilfhalmen aufhängte. In wenigen Augenblicken hatte er Feuer geschlagen, und gleich darauf prasselten schon die Flammen unter dem Topf. Jetzt griff sich der Mann einen Aal und zeigte ihn noch einmal der Frau. »Ist das nicht ein fetter Bursche?« rief er ihr zu. Dann tötete er den Fisch mit einem Schlag mit dem Messerrücken, schlitzte ihn auf, warf die Eingeweide in den See und schnitt den Aal in Stücke, die er in den Topf warf. »Gib mir ein bißchen Salz!« sagte er zu der Frau.
    »Nur ein Krümchen«, sagte die Frau. »Wir haben nicht mehr viel.« Sie kramte aus einer Tasche einen kleinen Leinenbeutel hervor, griff mit spitzen Fingern hinein und streute dem Mann ein paar Körnchen auf die flache Hand. Er ließ sie in die Suppe fallen, die schon anfing, Blasen aufzuwerfen und zu dampfen. Dabei erstarrte er mitten in der Bewegung und horchte. »Da kommt jemand«, flüsterte er. »Verdrück dich ins Schilf und paß auf, daß der Kleine nicht schreit! Vielleicht ist es nur ein einzelner, der am frühen Morgen nach seinen Reusen sehen will. Mit dem werde ich schon fertig.« Während er das sagte, zog er sein Messer heraus und klopfte mit der Klinge auf die Fläche der anderen Hand.
    Die Frau sprang auf, preßte das Kind an sich und war mit wenigen Schritten im Schilf untergetaucht. Der Mann folgte ihr ein Stück, blieb dann aber zwischen den ersten Rohrstengeln stehen und wartete.
    Jetzt konnte man die Schritte deutlich hören. Jemand kam von der Landseite heran und gab sich dabei keine Mühe, leise aufzutreten. Er pfiff vor sich hin, und seine Sohlen lösten sich

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