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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Gange war, kamen von den Häusern hergelaufen. Als sie den Gefesselten sahen, der von ihren Leuten vorangezerrt wurde, hielten sie sich dann aber beiseite und betrachteten den abgerissenen Mann mit scheuen Blicken.
    So erreichten sie das Dorf. Der Gefangene beschimpfte noch immer lauthals die Fischer, und diese blieben ihm keine Antwort schuldig. Der Lärm lockte nun auch die Frauen vor die Tür. Eine von ihnen, schon grauhaarig und nicht mehr die Jüngste, kam herübergelaufen und stürzte sich geradezu auf den jungen Bargasch, dem noch immer das Blut von der Schulter tropfte. »Was ist passiert?« schrie sie. »Du blutest ja! Komm herein, damit ich mich um deine Wunde kümmern kann!« Bargasch jedoch schüttelte ihre Hand ab und sagte: »Laß nur, Mutter! Ist nicht weiter schlimm. Nur ein Kratzer. Erst müssen wir diesen Mann zu Rulosch bringen, damit er Gericht über ihn hält. Er soll mit eigenen Augen sehen, was der Kerl angerichtet hat.«
    Die Frau wollte jammernd Einwendungen machen, aber Bargasch ging einfach weiter und ließ sie stehen. An seiner wütenden Miene war deutlich abzulesen, daß er zuallererst sehen wollte, wie der Mann bestraft wurde, der ihm das angetan hatte.
    Die Gruppe blieb schließlich vor einem Haus stehen, das auch nicht viel anders aussah als die anderen, nur daß es ein bißchen größer und sorgfältiger gepflegt war. Einer der Männer, er war wohl von allen der älteste und fühlte sich verpflichtet, die Angelegenheit in die Hand zu nehmen, klopfte an die Tür, trat dann zurück und wartete. Gleich darauf wurde geöffnet, und ein etwas kurzbeiniger, stämmiger Mann von vielleicht sechzig Jahren trat heraus. Er trug sein weißes Haar kurzgeschnitten, daß es ihm wie eine enganliegende Fellkappe auf dem runden Schädel saß. »Was wollt ihr?« fragte er. »Man hört euch ja schon von weitem durch die Dorfgasse schreien. Und wen bringt ihr da geschleppt?«
    Der Fischer, der an die Tür geklopft hatte, antwortete: »Du mußt Gericht halten über diesen Mann hier, Rulosch. Er hat nicht nur Bargaschs Reusen ausgeplündert, sondern ihn auch noch mit dem Messer angefallen und verwundet, und wenn wir nicht dazugekommen wären, hätte er ihn wohl auch noch umgebracht.«
    »Worauf du dich verlassen kannst«, knurrte der Gefesselte.
    Da blickte ihm Rulosch mit seinen grauen Augen kühl ins Gesicht und sagte: »Es könnte sein, daß dir diese Worte noch leid tun.« Dann wendete er sich an die Fischer und sagte: »Kommt herein in die Stube, damit wir die Sache verhandeln können. War sonst noch jemand anwesend, der etwas bezeugen könnte?«
    »Nein, nur wir«, sagte der alte Fischer. »Und in der Hauptsache vor allem Bargasch.«
    »Was ist mit deiner Wunde?« fragte Rulosch den Jungen. Doch der warf den Kopf zurück und sagte: »Das hat Zeit bis später.«
    »Gut«, sagte Rulosch. »Dann kommt!« Er ging ihnen voraus und öffnete im Halbdunkel des Vorraumes eine Tür, die in eine zwar niedrige, aber geräumige Stube führte, in deren Mitte ein wuchtiger Tisch aus blankgescheuertem Ahornholz stand. Rulosch nahm auf einem breiten Armsessel am Kopfende des Tisches Platz und forderte die anderen auf, sich auf die mit Binsengeflecht gespannten Hocker zu setzen, die rings um den Tisch standen.
    »Den Mann stellt mir gegenüber«, sagte er, »zwei von euch bleiben wohl besser neben ihm, damit er keine Schwierigkeiten macht.«
    »Da tust du gut daran«, sagte der Bärtige, »denn ich gedenke euch jede Schwierigkeit zu machen, deren ich fähig bin, ihr stinkenden Quakfrösche.«
    »Du hast eine sonderbare Art, dich zu verteidigen«, sagte Rulosch.
    »Zum Verteidigen benütze ich nur mein Messer«, sagte der Bärtige. »Aber das haben mir deine Leute ja weggenommen.«
    »Nicht ohne Grund, wie mir scheint«, sagte Rulosch. »Doch damit sind wir ja schon bei der Sache. Erzähle mir den Hergang, Bargasch!«
    Der junge Fischer stand auf und sagte: »Das ist rasch berichtet. Ich wollte nach meinen Reusen sehen, und als ich zum Ufer kam, roch ich Rauch. Da rannte ich hinunter zum Landungssteg und entdeckte dort ein Feuer, auf dem ein Topf mit Aalsuppe kochte, und ehe ich mich’s versah, kam der Kerl dort aus dem Schilf und fiel mit dem Messer über mich her. Ich wäre schon mit ihm fertiggeworden, wenn ich nicht über das Feuer gestolpert wäre.«
    Der Bärtige lachte laut heraus, als er das hörte. »Das möchte ich gern erleben, wie du mit mir fertig wirst, du Milchbart«, sagte er. »Gebt mir mein Messer,

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