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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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seine besten Stücke zurückzulegen, bis er im nächsten Jahr wieder übers Gebirge reiten werde.
    Aber die Beutereiter hatten ihm einen Späher nachgeschickt, der den Paßweg auskundschaften sollte; denn sie waren gierig nach Gold und vermuteten, daß dort, wo dieser Schmuck hergestellt wurde, noch mehr davon zu holen sein müsse.
    Als der Späher ins Lager zurückgekehrt war, berief der Khan die Ratsversammlung ein und ließ ihn berichten. Was er zu beschreiben wußte, klang so verlockend, daß ein Beutezug beschlossen wurde, obwohl es schon spät im Jahr war. Ohne Schwierigkeiten ritten fünfzig Reiter der Horde über die Paßhöhe und überfielen gegen Abend des nächsten Tages Russos Haus, das etwas abseits von der Ansiedlung der Erzklopfer lag. Der Goldschmied stellte sich ihnen mit einer Waffe entgegen und wurde sofort erschlagen. Dann plünderten die Beutereiter seine Werkstatt, rafften alles zusammen, was sie an rohen und gefaßten Steinen, an Metallbarren und fertigem Schmuck finden konnten, und schleppten auch Urla, die eine sehr schöne Frau war, als Gefangene mit. Sonst war kein Mensch im Haus, nicht einmal Urlas Tochter, die damals ein halbes Jahr alt war. Urla hatte sie ein paar Tage zuvor zu ihrer heilkundigen Mutter gebracht, weil das Kind an einem hitzigen Fieber litt.
    Als nichts mehr zu rauben übrig war, zündeten die Beutereiter das Haus an und machten sich auf die Suche nach weiteren Goldnestern. Durch den Rauch wurden jedoch die Bergleute, die um diese Zeit von der Arbeit in den Stollen nach Hause gingen, auf den Überfall aufmerksam. Sie schlugen Alarm, und als die Reiter schließlich zu ihren Häusern gefunden hatten, trafen sie auf einen Gegner, der ihnen durchaus gewachsen war; denn bei den Bergdachsen verstand man sich auch auf das Schmieden von Waffen, und die Pferde, die in den Ställen der Schmiede standen, waren beträchtlich größer und kräftiger als die kleinen Steppengäule der Beutereiter. Nachdem gleich beim ersten Angriff ein halbes Dutzend der Beutereiter aus dem Sattel gehauen worden war, machte die Horde kehrt und verschwand so rasch in den Wäldern, daß eine Verfolgung sinnlos erschien.
    Urla hat später erzählt, was dann weiter geschah. Während die Horde die Häuser der Bergdachse suchte, hatte man die Beute und die Gefangene unter der Bewachung von zwei Reitern an einem versteckten Platz im Wald zurückgelassen. Nach dem vergeblichen Angriff kehrten auch die übrigen Reiter an diesen Ort zurück und verbrachten hier die Nacht. Am anderen Morgen beschlossen sie dann, wieder übers Gebirge zurückzureiten, denn die Beute, die sie bei Russo gemacht hatten, war schon reich genug.
    Die ganze Nacht über hatte Urla um den Tod ihres Mannes geweint, den man vor ihren Augen umgebracht hatte. Am Morgen merkte sie, daß die Reiter sich zur Rückkehr vorbereiteten, und sie wußte auch, daß sie den Paßweg über das Gebirge nehmen mußten. Unwillkürlich blickte sie zum Himmel und erkannte an dessen Färbung und an der Form der Wolken, daß ein Wettersturz bevorstand, wie er zu Ende des Herbstes in den Bergen nicht selten eintritt. Aber sie warnte die Reiter nicht; denn ihr Zorn auf die Mörder ihres Mannes war groß, und es war ihr gleichgültig, was mit ihr selbst geschehen würde.
    Das Unwetter brach herein, als sie die Paßhöhe schon überschritten hatten. Die schwarzen Wolken zogen so rasch auf, daß der Himmel sich von einem zum anderen Augenblick verfinsterte, und dann heulte ein Schneesturm los, der jedes Weiterkommen unmöglich machte. Mensch und Tier stemmten sich blind gegen den waagerecht daherfegenden, blendendweißen Staub und verloren den Weg. Viele stürzten über Steilhänge und Felswände ab und blieben zerschmettert in der Tiefe liegen. Andere kauerten sich zusammen und erfroren nach kurzer Zeit; denn die Reiter waren mit dem Wetter im Gebirge nicht vertraut und trugen nur ihre leichte Sommerkleidung.
    Urla war von dem Packpferd gestürzt, über dessen Rücken man sie gelegt hatte wie einen Sack Mehl, und dabei hatten sich ihre Fesseln gelöst. Auf allen vieren kroch sie auf einen Felsen zu, der sich als dunkler Schatten im Schneetreiben vor ihr abzeichnete. Unter einem überhängenden Block fand sie eine Höhlung, in die sie sich hineinrollen ließ. Hier war sie vor der unmittelbaren Gewalt des Schneesturms geschützt.
    Als sie eine Zeitlang dort gelegen hatte, hörte sie zwischen zwei pfeifenden Sturmböen in der Nähe ein Wimmern, das fast so klang wie das

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