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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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eine andere Art, sich mitzuteilen. Sein Diener ist übrigens ein Enkel des Sanften Flöters.«
    »Dann bist auch du mir doppelt willkommen, Lauscher«, sagte Rikka. »Mein Vater war ein Freund deines Großvaters und hat ihn sehr geliebt.«
    Wieder erschienen Lauscher ihre Augen seltsam vertraut, als sie ihn bei diesen Worten anblickte. Aber der Sanfte Flöter hatte in seinem langen Leben wohl viele Freunde gewonnen.
    Das Hämmern draußen in der Schmiede hatte schon vor einiger Zeit aufgehört. Nun kam auch der Geselle in die Stube, und alle setzten sich zu Tisch. Während des Essens erkundigte sich der Schmied nach seinem Freund und hörte mit Befriedigung, daß dessen Wirtshaus noch immer von flüchtigen Eseln aus Barleboog aufgesucht wurde.
    Nach dem Essen schenkte er seinen Gästen einen herben Apfelmost ein und sagte: »Ich hoffe, er ist euch nicht zu sauer. Mir schmeckt er besser als der Wein, den die Herrin von Barleboog ihren Gästen anbietet.«
    »Das mag wohl sein«, sagte Lauscher. »Von ihrem Wein bleibt einem leicht ein bitterer Nachgeschmack.«
    »Dann warst du also bei ihr im Schloß«, stellte der Schmied erstaunt fest. »Ihr seid wohl schon zusammen zum Sanften Flöter gekommen?«
    »Gewissermaßen ja«, sagte Lauscher und dachte beklommen an seine kopflose Flucht durch den Wald und an die entsetzenerregenden Schreie des Stummen. Er blickte hinüber zu Barlo, aber der schaute vor sich hin und verzog keine Miene.
    »Man sagt, die Herrin sei böser als je zuvor«, fuhr der Schmied fort. »Es wird auch erzählt, es habe ihr jemand einen ihrer Glitzersteine an den Kopf geworfen, weil ihm sein eigener Stein lieber war. Noch heute könne man das Mal auf ihrer Stirn sehen. Es werden heimlich Spottverse darüber gesungen.«
    Lauscher holte den Beutel unter dem Hemd hervor und nahm seinen Augenstein heraus. »Das wird dann wohl dieser Stein gewesen sein«, sagte er.
    Die Frau des Schmieds starrte wie gebannt auf den Stein in Lauschers Hand. »Urlas Stein«, flüsterte sie, als könne sie es nicht fassen.
    »Was weißt du von dem Stein?« fragte Lauscher verwundert, »woher kennst du ihn?«
    »Er hat meinem Vater gehört«, sagte Rikka. »Im vorigen Jahr bekam ich die Nachricht, daß er auf einem Beutezug umgekommen sei, aber niemand wußte zu sagen, wo der Stein geblieben ist.«
    »Wenn dein Vater Arni hieß, dann war er es, der mir den Stein gegeben hat, ehe er starb«, sagte Lauscher und erzählte ihr in Kürze, wie Arni zu Tode gekommen war.
    »Er ist gestorben wie ein Beutereiter«, sagte Rikka, »obwohl er sein Leben lang mit seinem Bruder darüber gestritten hat, ob es recht sei, wie ein Beutereiter zu leben.«
    »Und doch ist er bei ihnen geblieben«, sagte Lauscher.
    »Ja«, sagte Rikka, »er blieb stets in der Nähe ihres Lagers und begleitete die Horde auf ihren Beutezügen. Und dennoch war er wie ein Pfahl im Fleisch seines Volkes.«
    »Warum sagst du: in der Nähe ihres Lagers?« fragte Lauscher. »Wohnte er nicht mehr in seinem Zelt, von dem mir mein Großvater erzählt hat?«
    »Nein«, sagte Rikka. »Als ich noch ein Kind war, wohnten wir in einer Blockhütte am Rande der Steppe. Es stand an der Stelle, wo der Pfad auf den Berg zu Urlas Hütte beginnt. Du mußt nämlich wissen, daß Urla meine Urgroßmutter war.«
    Überrascht blickte Lauscher sie an. Ihre Augen waren wieder auf ihn gerichtet, und jetzt wußte er, woran sie ihn erinnert hatten: der Farbenkranz ihrer Iris glich dem seines Steines, den er in der Hand hielt.
    »Du hast Urlas Augen«, sagte er.
    »Ja«, sagte sie, »wir alle, die von Urla abstammen, haben ihre Augen.«
    »Hast du Urla noch gekannt?« fragte Lauscher.
    Rikka nickte. »Sie starb, als ich fünf Jahre alt war«, sagte sie dann. »Damals muß sie weit über 90 Jahre alt gewesen sein. Aber ihre Augen waren noch immer klar, und man konnte ihnen nicht ausweichen.«
    »Ist dein Vater aus dem Lager fortgezogen, als sein Bruder Hunli Khan wurde?« fragte Lauscher und dachte an die Fremdheit, die zwischen den Brüdern durch Urlas Spruch entstanden war.
    »Nein«, sagte Rikka. »Das hing wohl mit seiner Heirat zusammen. Meine Mutter war für die Beutereiter eine Fremde, und man hätte sie im Lager nicht als Arnis Frau anerkannt, sondern als Sklavin behandelt. So ist das bei den Beutereitern: Fremde werden im Lager zumeist nur als Sklaven geduldet. Aber auch meine Mutter hätte das unstete Leben wohl nicht ertragen können, denn sie stammte von seßhaften Leuten ab.«
    »Daß

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