Stein und Flöte
Felsblöcke weiterführte. Lauscher beschloß, diesen Weg zu erkunden und gelangte nach mühevoller Kletterei in einen kleineren Höhlenraum, auf dessen Wänden im flackernden Licht seiner Fackel azurblaue und malachitgrüne Farben hervortraten, die in Streifen über das helle Gestein herabliefen, und am anderen Ende dieser Höhle führte ein schmaler Gang steil in die Tiefe. Das mußte der Schacht sein, von dem die Forelle gesprochen hatte. Ehe er jedoch mit dem Abstieg beginnen konnte, ließ ihn ein Zischen dicht neben seinem Ohr erschreckt herumfahren. Zunächst sah er nur zwei achatfarbene Augen im Schimmer der Flamme aufblitzen, und erst dann erkannte er die Schlange, die zusammengerollt und mit auf gerecktem Hals in einer Felsnische lag.
»Da bist du ja endlich, Lauscher«, sagte die Schlange.
Jetzt begriff Lauscher, wer ihn hier erwartet hatte. »Du hast mir einen tüchtigen Schrecken eingejagt, Rinkulla«, sagte er und leuchtete mit seiner Fackel in das Versteck der Schlange, »aber jetzt bin ich froh, daß ich dich hier finde.«
Rinkulla wich vor der knisternden Flamme zurück und sagte scharf: »Lösch dieses Licht aus! Die hier in der Tiefe leben, mögen kein Feuer!«
»Ich kann doch nicht im Finstern in dieses Loch hinuntersteigen«, sagte Lauscher ängstlich.
»Doch«, sagte Rinkulla, »das wirst du tun müssen, wenn du bekommen willst, was du suchst. Lösch die Fackel aus, sonst kommst du nie ans Ziel!«
Da gehorchte Lauscher und trat die Flamme aus. Der beizende Rauch verschlug ihm den Atem, daß er für einen Augenblick meinte, hier unten ersticken zu müssen. Dann klärte sich allmählich die Luft, aber nun war es stockfinster.
Lauscher wagte sich nicht zu rühren aus Angst, in irgendeine bodenlose Kluft zu stürzen. Vor seinen Augen waberte noch eine Weile das Gegenbild der erloschenen Flamme, und dann war nur noch gestaltlose Schwärze ringsum ihn.
»So werde ich keinen Schritt vorankommen«, sagte er mutlos und kauerte sich auf den Boden. Er hätte jetzt nicht einmal sagen können, wo sich die Schlange befand oder ob sie überhaupt noch da war, doch dann hörte er das leise Schaben ihrer geschuppten Haut auf dem rauhen Gestein, und das war wenigstens ein kleiner Anhaltspunkt in dieser undurchdringlichen Finsternis.
»Warte nur!« sagte Rinkulla, »warte nur, du wirst deinen Weg schon finden.« Und als er in die Richtung blickte, aus der ihre Worte kamen, meinte er im Dunkel zwei kaum wahrnehmbare hellere Flecken zu erkennen, und je länger er auf diese Stelle starrte, desto schärfer hoben sich nach und nach diese Aufhellungen ab, und er begriff, daß dies Rinkullas Augen waren. »Willst du mich nicht begleiten, wenn ich in die Tiefe steige?« sagte er. »Das Licht deiner Augen würde mir schon genügen.«
»Nein«, sagte die Schlange. »Diesen Weg mußt du allein gehen. Wenn du hier wirklich etwas finden willst, würde dich fremdes Licht nur stören. Denk an deinen Namen und verlaß dich auf dein Gehör. Und vergiß nicht, was du suchst!«
Während dieser letzten Worte war der blasse Schimmer von Rinkullas Augen immer schwächer geworden, und auch ihre Stimme klang leiser, als käme sie schon aus größerer Entfernung. Eine Weile hörte er noch das schabende Geräusch der dahingleitenden Schuppenhaut, und dann war er allein im Dunkeln.
Zunächst war er nahe daran, in Panik zu geraten. Die lautlose Schwärze stand um ihn wie eine Drohung, der er sich hilflos ausgeliefert fühlte. Lange saß er bewegungslos und lauschte, und als er schon meinte, daß er taub geworden sei in dieser von aller Welt abgeschlossenen Höhle, drang ein kaum wahrnehmbares Geräusch an sein Ohr, vielleicht von einem Wassertropfen, der sich von irgendeinem Vorsprung gelöst und auf eine Steinplatte aufgeschlagen war. Nach einer langen Pause, in der er die Hoffnung schon fast wieder aufgegeben hatte, fiel ein zweiter Tropfen und gleich darauf ein dritter. Dieses helle ›ping‹ schien irgendwo aus der Tiefe heraufzuklingen, und dort mußte der Schacht sein.
Lauscher tastete den zerklüfteten Höhlenboden ab und begann langsam in die Richtung zu kriechen, aus der das Geräusch gekommen war. Ihm war, als habe er eine endlose Strecke zurückgelegt, als seine Finger endlich spürten, daß es unmittelbar vor ihm hinab in die Tiefe ging. Von unten her wehte es kühl herauf in sein Gesicht, und als jetzt noch einmal dieses Geräusch die Stille zerbrach, klang es schon deutlich und fast greifbar nahe. Da faßte sich
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