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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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mit wachsendem Zorn zugesehen. Auf seiner Schläfe trat, dick wie eine Schnur, eine gewundene Ader heraus, als er jetzt mit der Faust auf das Fensterbord schlug und sagte: »Ist diesen Hitzköpfen denn nicht zu raten!«
    Arnilukka, die schon vor einer Weile zu ihnen ans Fenster getreten war, seufzte und sagte dann: »Du mußt versuchen, sie auseinanderzuhalten, Belarni!«
    »Hunde und Katzen lassen sich leichter voneinander trennen«, knurrte Belarni und verließ rasch die Stube. Gleich darauf sah Lauscher ihn über den Platz auf die Goldschmiede zugehen, die sich alle sehr förmlich verbeugten, sobald er bei ihnen stehenblieb, aber an dem, was er sagte, wenig Interesse zeigten.
    Die Junker waren inzwischen abgestiegen und banden ihre Pferde an die Zäune. Lauscher hörte, wie Arnizzo rief: »Spiel uns ein Lied, Lustiger Flöter!«
    Darauf hatte Döli offenbar nur gewartet. Er setzte seine Flöte an die Lippen und begann mit einer springenden Melodie, die Lauscher sogleich frech und aufsässig in den Ohren klang. In der hektischen Lustigkeit dieser Tonfolge schwang ein Mißlaut von untergründiger Bösartigkeit mit, der ihm Unbehagen, ja fast Angst verursachte. Den Junkern schien diese Art von Musik jedoch zu gefallen, und der Text zu diesem Lied war ihnen offenbar schon vertraut; denn sie scharten sich sogleich um den Flöter, und einer fing an, mit hoher, greller Stimme vorzusingen, während die anderen im Chor den Refrain herausschrien:
    Wem baumelt’s schwer auf Brust und Bauch?
        Dem Goldwanst!
    Wer schwabbelt dick wie’n voller Schlauch?
        Der Goldwanst!
    Wer bringt den Hintern nicht aufs Pferd,
    weil ihn das Klunkerzeug beschwert?
        Der Goldwanst, der Goldwanst!
        Lach nur, was du kannst!
    Sobald sie diesen Gesang, der auch ihnen anscheinend nicht unbekannt war, zu hören bekamen, ließen die Goldschmiedesöhne Belarni einfach stehen und kamen langsam herangeschritten, doch jetzt war in ihrer gemessenen Gangart schon so etwas wie verhaltene Wut spürbar, etwa auch darin, wie sie sich enger zusammenschlossen und auch in einer gewissen Steifnackigkeit ihrer Haltung. Den Junkern schien dieses Spiel jetzt erst richtig Spaß zu machen, und nach einem spitztönigen Vorspiel des Flöters begann einer die nächste Strophe zu singen:
    Wer stapft da würdig durch den Dreck?
        Der Goldwanst!
    Wer kommt dabei nicht recht vom Fleck,
        Der Goldwanst!
    und will doch stets der erste sein
    im Hohen Rat und auch beim Wein?
        Der Goldwanst, der Goldwanst!
        Lach nur, was du kannst!
    »Wovon lebt ihr denn, ihr Nichtstuer von Beutereitern?« schrie jetzt ein pausbäckiger, besonders prächtig herausgeputzter junger Stutzer. »Wer nicht arbeitet wie wir, soll in Arziak auch nichts zu sagen haben! Hier ist kein Platz für Diebsgesindel!«
    Die Junker faßten diese Worte durchaus nicht als Beleidigung auf, sondern wollten sich ausschütten vor Lachen über die Art, wie sich dieser wohlbeleibte Goldschmiedesohn ereiferte. »Den können nicht einmal drei Männer in den Sattel hinaufstemmen!« schrie einer wiehernd. »Und wenn sie es doch schaffen, dann bricht der arme Gaul zusammen! Spiel weiter, Döli! Das Lied ist noch nicht zu Ende!« Und schon fand sich ein Vorsänger, der mit der nächsten Strophe begann:
    Wen melken wir wie eine Kuh?
        Den Goldwanst!
    Wer schafft uns Beute immerzu?
        Der Goldwanst!
    Nehmt euch doch seiner Klunker an,
    damit er leichter reiten kann!
        Der Goldwanst, der Goldwanst!
        Lach nur, was du kannst!
    Azzo, der nun schon zusammen mit seinen Freunden von der Zunft nahe vor den Junkern stand, wendete sich jetzt zu seinem Vater um und schrie: »Da kannst du selber hören, was diese Tagediebe im Schilde führen! Diese Beutemacher solltest du zur Ruhe mahnen und nicht uns! Wir haben keine Lust, uns ihre Spottlieder noch länger anzuhören.« Auch seine Begleiter begannen jetzt grimmige Mienen aufzusetzen und mit ihren kostbaren Dolchgehängen zu spielen.
    Belarni war bisher der einzige gewesen, der sich darum bemüht hatte, die Streithähne auseinanderzuhalten. Während er sich jetzt zwischen den Goldschmieden hindurchdrängte, um die Junker von weiteren Sticheleien abzuhalten, sah Lauscher seine Tochter Urla aus der Schmiede am anderen Ende des Platzes treten. Sobald sie erkannte, was hier im Gange war, rief sie ihrem Mann, der hinter ihr in der Tür erschien, etwas zu und lief dann rasch über den Platz herüber. Die übrigen

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