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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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»Wäre es besser gewesen, wenn dein Dolch das Ziel erreicht hätte, für das er bestimmt war?«
    »Nein«, sagte Azzo. »Das wäre genau so schlimm gewesen.«
    »Hast du irgend etwas zu deiner Verteidigung zu sagen?« fragte Ruzzo.
    Auf diese Frage hin senkte Azzo nur den Kopf und schwieg. Doch jetzt meldete sich Arnizzo zu Wort und sagte: »Mein Bruder hat Grund genug gehabt, wütend auf mich zu sein, denn ich habe ihn vor allen Leuten lächerlich gemacht.«
    »Du gibst also zu, daß du die Tat herausgefordert hast?« sagte Ruzzo.
    »Ja«, sagte Arnizzo, »und zwar auf eine Weise, daß er wohl nicht mehr wußte, was er tat.«
    Als Döli das hörte, drängte er sich vor und rief: »Hast du den Verstand verloren, Arnizzo? Wenn dein Bruder keinen Spaß versteht, ist das seine Sache, aber das ist noch lange kein Grund, mit dem Messer zu werfen!« Und auch die wenigen Reiterjunker, die er noch um sich geschart hatte, stimmten ihm bei und schrien, wer hier eigentlich zur Waffe gegriffen habe und ob jetzt womöglich der Angegriffene noch als der Schuldige hingestellt werden solle? Damit schien sich aufs neue ein Tumult anzubahnen, denn die Goldschmiedesöhne, zumindest jene, die noch in ihrem Klunkerzeug zur Verhandlung gekommen waren, wurden jetzt munter, schüttelten die Fäuste und fingen an, die Junker als Aufwiegler und Mordbuben zu beschimpfen.
    Ruzzo zog die Augenbrauen hoch und hörte sich das ein paar Augenblicke lang an, doch dann zeigte sich, daß er, wenn es sein mußte, über eine gewaltige Stimme verfügte, gegen deren erzenes Dröhnen sich der anbrechende Streit wie das Gezänk von Marktweibern ausnahm. »Wollt ihr den Frieden auch noch vor Gericht brechen?«, donnerte er, als hätte er ein paar unbotmäßige Pferdeknechte vor sich, und als nun auch die anderen Zuschauer, die es bisher weder mit der einen noch mit der anderen Partei gehalten, sondern sich lieber in ihre Häuser verkrochen hatten, sich plötzlich stark zu fühlen begannen und die Schreihälse empört zur Ruhe mahnten, legte sich der Lärm sehr rasch, so daß jeder hören konnte, als Ruzzo jetzt wieder mit ruhiger Stimme sagte: »Du hast dich zwar ungefragt in die Verhandlung eingemischt, Döli, aber da du nun schon einmal das Wort ergriffen hast, kannst du mir vielleicht auch gleich sagen, warum es dir nicht gefällt, wenn Arnizzo einen Teil der Schuld auf sich nehmen will. Kann es sein, daß du an dem Streit, der zu Urlas Tod geführt hat, nicht ganz unbeteiligt warst?«
    Jetzt blickten alle auf den Flöter, doch Döli wurde dadurch wohl nur in der Meinung bestärkt, daß nun die Gelegenheit gekommen sei, sich erst richtig in Szene zu setzen. Er plusterte sich förmlich auf und sagte: »Seit wann gilt es hier im Tal als Verbrechen, lustige Lieder zu spielen? Bisher hatte niemand etwas dagegen einzuwenden außer diesen Spaßverderbern von Goldwänsten. Wir Reiterjunker sind von anderer Art«, und dabei umfaßte er das Häuflein der Buntbezopften mit einem Bestätigung heischenden Blick. »Hie und da wollen wir etwas zum Lachen haben, und ich spiele nur die Musik dazu.«
    »Und läßt die Junker nach deiner Pfeife tanzen«, sagte Ruzzo. »Ich habe schon davon gehört, daß es hier immer gleich Unruhe gibt, sobald deine Flöte irgendwo in den Gassen zu hören ist.«
    »Willst du auch noch über Zuträgereien zu Gericht sitzen?« sagte Döli frech.
    »Nein«, sagte Ruzzo. »Aber es könnte sein, daß ein anderer dir bei Gelegenheit die richtigen Flötentöne beibringt, wenn du es weiterhin so treibst.« Döli lachte spöttisch und schickte sich an, noch mehr solcher aufsässiger Reden zu führen, doch Ruzzo brachte ihn mit einer schroffen Handbewegung zum Schweigen und fuhr fort: »Es ist schwer, in dieser Sache die einzelnen Anteile an der Schuld abzuwägen. Alles hat seine Wurzel darin, daß ihr Reiterjunker wie auch ihr von der Zunft der Goldschmiede damit angefangen habt, euch abzusondern und die großen Herren zu spielen, und es dabei auch noch darauf angelegt habt, euch gegenseitig zu übertrumpfen mit diesem Flitterkram auf eurer Kleidung und euren hochtrabenden Reden. Kaum zeigen sich die Junker auf der Straße, müssen sich auch schon die Goldschmiedesöhne zusammenrotten, um ihnen den Rang abzulaufen. Und dieser Flöter, den ich gar nicht so lustig finde, sorgt dann schon dafür, daß es nicht beim bloßen Paradieren bleibt, sondern stachelt euch so lange auf, bis es zu Handgreiflichkeiten kommt. So ist es dir ergangen, Arnizzo, aber

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