Stein und Flöte
in seiner Ratlosigkeit. »Ich habe wenig Hoffnung, mit diesem Döli auf eine Weise fertig zu werden, daß ihm seine Spottlieder ein für allemal vergehen.«
»Sollst du denn mit ihm fertig werden?« fragte der Zirbel. »Du sagst das, als hättest du alle Hoffnung aufgegeben, daß dieser Schüler nicht doch noch etwas hinzulernen könne. In diesem Falle wäre es freilich das Beste, ihn gleich zu erschlagen, denn dies ist die einzige Art, wie man mit einem Menschen ein für allemal fertig werden kann.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!« sagte Lauscher erschrocken.
»Insoweit es dich betrifft, meine ich das durchaus ernst«, sagte der Zirbel. »Ich versuche nur, das zu Ende zu denken, was sich aus deinen Worten schon heraushören läßt. ›Fertig werden‹ und das auch noch ›ein für allemal‹! So erschlägt man Menschen mit Worten. Ist das die richtige Art, deine Versäumnisse als Lehrer nachzuholen? Solange jemand lebt, gibt es auch Hoffnung für ihn. Das solltest du doch am besten wissen.«
»Und wie, meinst du, soll ich nun den abgebrochenen Unterricht fortsetzen?« fragte Lauscher.
»Jedenfalls nicht, indem du seine eigenen Spottlieder wie einen Knüppel benutzt, um auf ihn loszuschlagen. Merkst du denn nicht, daß du dich damit zu seinem Schüler machst? Da wüßte ich schon einen besseren Lehrer für dich.«
»Wen denn?« fragte Lauscher.
»Diesen Mäuserich ›Der-die-Hoffnung-nicht-aufgibt‹«, sagte der Zirbel, und dann war kein Wort mehr aus ihm herauszubringen.
Es zeigte sich bald, daß Döli sein aufsässiges Flötenspiel nicht aufzugeben gedachte. Freilich war seine Anhängerschaft beträchtlich zusammengeschmolzen; denn der Tod Urlas, die jedermann in Arziak hoch geachtet, wenn nicht gar geliebt hatte, war manchen wie ein heilsamer Schock in die Glieder gefahren, und Dölis Verhalten bei der Gerichtsverhandlung war auch nicht dazu angetan gewesen, seine Stellung in Arziak zu festigen. Doch es gibt auch immer wieder Leute, die offenbar eine solche Art von Aufsässigkeit benötigen, um ihr Selbstgefühl zu stärken, und so zogen auch jetzt noch einige der Reiterjunker in ihrem bunten Flitter mit Döli durch die Gassen, und es gab auch noch ein paar von den Goldschmiedesöhnen, die das als Aufforderung verstanden, ihre Klunker und Ketten spazieren zu tragen und den Leuten zu zeigen, daß sie auch noch da waren und auf ihre Rechte zu pochen wußten.
Arnizzo bekam also zu tun. Sobald ihm zu Ohren kam, daß dergleichen im Gange war, fand er sich auch schon ein und versuchte die Streithähne auseinanderzuhalten. Leicht war das nicht für ihn, denn die Junker, mit denen er früher geritten war, behandelten ihn wie einen Abtrünnigen, ja wie einen Verräter, und Döli begann nun Spottlieder auf diesen Weichling zu spielen, der sich vor jedem Aufblitzen eines Krummschwerts schon fürchtete. »Was wollt ihr«, sagte er zu seinen Kumpanen, »er ist eben kein reinblütiger Steppenreiter. Seine Mutter mag zwar eine Enkelin Arnis sein, aber der war ja wohl auch so ein verrückter Träumer, der kein Blut sehen konnte.« Und bei den Goldschmiedesöhnen erging es Arnizzo nicht viel besser, denn zu ihnen gehörte er schon gar nicht. »Man hat ja bei seinem Bruder gesehen, wie es sich mit diesen Mischblütigen verhält«, wurde bei ihnen gesagt. »Wenn’s drauf ankommt, geben sie klein bei und lassen uns im Stich.«
Merkwürdigerweise gelang es Arnizzo dennoch, einstweilen jede Handgreiflichkeit zu verhindern. Das mochte seinen Grund darin haben, daß allein sein Anblick genügte, um den buntgewandeten Burschen das Bild in Erinnerung zu rufen, wie Urla der für ihn bestimmte Dolch in den Rücken fuhr, aber es lag wohl auch daran, daß sich nicht mehr alle Leute in ihren Häusern verkrochen, wenn Junker und Goldschmiede draußen herumstolzierten. Es gab jetzt schon einige Männer, die ruhig auf offener Straße stehenblieben und wie zufällig eine Axt oder einen Schmiedehammer in der Hand hängen hatten. Sie standen nur da und schienen sich nicht weiter um das Treiben der buntzopfigen oder klunkerbehängten Herren zu kümmern, aber ihre Anwesenheit trug doch dazu bei, daß es bei Spottworten und dem bißchen Geflöte blieb. Arnizzo hatte sie durchaus nicht zu solchem Verhalten ermuntert oder sich gar eine Art Hilfstruppe unter ihnen angeworben. Sie taten dies offenkundig von sich aus, mochte da einer denken, was er wolle.
Lauscher saß inzwischen auf den Stufen unter dem Vordach von Arnilukkas Haustür und
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