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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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einschlugen. Der Platz hallte wider von dröhnendem Gelächter, und die Goldschmiede schienen gar zu der Meinung gekommen zu sein, daß nun auch sie einen Flöter zu den ihren zählen konnten. Sie spendeten ihm lautstark Beifall und ermunterten ihn, noch mehr dergleichen Strophen vorzutragen. Offensichtlich hatte sein Spiel aber auch die Menge des Volkes dermaßen gegen Döli und seine paar Reiterjunker aufgebracht, daß manche sich schon nach Steinen bückten, um die Buntbezopften vom Platz zu jagen. Lauscher, dessen Zorn inzwischen verraucht war, blickte erschrocken in die wild durcheinanderwogende Menge der teils lachenden, teils schon zu neuen Gewalttaten bereiten Zuschauer, und da begegnete er dem Blick eines alten, ein wenig gebückten Mannes, den er vorher noch nicht gesehen hatte. Er stand in der abgeschabten Kleidung eines Steinsuchers bewegungslos mitten unter den schreienden und johlenden Leuten und schaute ihn auf eine Weise an, die alles andere als Zustimmung verriet, und als er merkte, daß Lauscher ihn erkannt hatte, schüttelte er ein wenig den Kopf, drehte sich um und ging davon, als sei er allein auf dem Platz und nicht eingekeilt zwischen all diesen Menschen. Einen Augenblick später konnte Lauscher ihn schon nicht mehr entdecken. Als er sich dann wieder nach Döli umsah, stellte er erleichtert fest, daß dieser wenig lustige Flöter samt seinem Anhang inzwischen das Weite gesucht hatte. Nun begann sich endlich auch die Menge zu verlaufen, und Lauscher wartete unter der Tür auf die Familie seiner Gastgeber.
    Als erstes versorgte Belarni seinen älteren Sohn mit allem, was ihm der Richter zugestanden hatte, und als das gesattelte Pferd im Hof stand, umarmte er Azzo ohne viele Worte. Auch Arnilukka schloß ihren Sohn in die Arme und fragte ihn dann, ob er schon wisse, wohin er sich wenden wolle.
    »Ich habe so viel von der Friedfertigkeit und Sanftmut der Karpfenköpfe am Braunen Fluß erzählen hören«, sagte Azzo. »Vielleicht wird dort ein Fischerknecht gebraucht.«
    »Das wird ein guter Platz für dich sein«, sagte Arnilukka und küßte Azzo, ehe sie ihn freigab.
    Dann stand Azzo mit hilflos herabhängenden Armen vor seinem Bruder, als wage er nicht, den zu berühren, auf dessen Brust er seinen Dolch geschleudert hatte. »Deine Aufgabe wird schwerer sein als meine, Arnizzo«, sagte er. »Ich muß einstweilen wohl erst einmal lernen, meinen Jähzorn zu beherrschen. Kannst du mir verzeihen?«
    Statt einer Antwort nahm nun auch Arnizzo seinen Bruder in die Arme und bat ihn, das Spottlied zu vergessen, das er auf ihn gesungen hatte.
    »Was das betrifft«, sagte Azzo mit einem etwas schiefen Lächeln, »bin ich ganz froh, daß ich für eine Weile aus Arziak fortbleiben muß«, und damit meinte er wohl weniger das Lied selbst als den Gegenstand, von dem es gehandelt hatte.
    Schließlich verabschiedete sich Azzo auch noch von Lauscher und sagte dabei: »Vielleicht gelingt es dir, deinen ehemaligen Schüler zur Vernunft zu bringen. Es sieht so aus, als hättest du ihn allzu früh aus der Lehre entlassen.« Dann stieg er auf sein Pferd und ritt zum Hoftor hinaus.
    In dieser Nacht lag Lauscher noch lange wach und grübelte darüber nach, wie er Döli das Handwerk legen könne. Es war ja offenkundig, daß dieser Flöter auch durch die Gerichtsverhandlung nicht hatte zur Besinnung gebracht werden können, ja es schien, als habe ihn das Schwinden seines Einflusses nur noch aufsässiger gemacht. Lauscher begriff erst jetzt richtig, welche Aufgabe ihm Belarni zugedacht hatte. Nicht allein seine Kunst als Flöter war hier gefordert, sondern auch seine Verantwortung für das Spiel seines Schülers, dessen Lehre er nicht zu Ende gebracht hatte. Damals hatte er nichts anderes im Kopf gehabt, als so schnell wie möglich aus dem Umkreis Arnilukkas zu fliehen, und keinen Gedanken darauf verschwendet, was aus seinem Schüler werden würde, den er hier zurückließ. Dieser Entschluß hatte sich nun in mehrfacher Hinsicht als ein Fehler erwiesen, dessen Folgen vor ihm lagen wie ein verfilzter Knäuel, den zu entwirren fast hoffnungslos schien. Er fühlte wieder diese Wut in sich hochsteigen, die ihn nach der Gerichtsverhandlung dazu getrieben hatte, dieses zähe Gespinst mit Gewalt zu durchhauen. Auf solche Weise, das wußte er nun, ließ sich dieser unlustige Flöter wohl aus Arziak vertreiben. Aber was war damit erreicht? Er würde dann anderswo noch bösere Lieder spielen.
    »Was ist da zu tun, Zirbel?« sagte er

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