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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Ereignis stattfinden?« fragte Lauscher.
    »Ich lasse dir ein bißchen Zeit zur Vorbereitung«, sagte Döli gönnerhaft. »Sagen wir: heute in drei Tagen hier auf diesem Platz.«
    »Ich will mir’s überlegen«, sagte Lauscher. »Du wirst dann ja sehen, ob ich mich einfinde.«
    Nach dem Abendessen erzählte er Belarni von Dölis Herausforderung. »Was meinst du?« fragte er. »Soll ich darauf eingehen?«
    Belarni wiegte den Kopf und sagte: »So eine Herausforderung ist eine ernste Sache, und diese in ganz besonderer Weise. Wenn du dich ihr nicht stellst, wird Dölis Ansehen in Arziak steigen und damit auch sein Einfluß. Das wollen wir doch beide nicht. Hast du Angst, daß du ihm unterliegen könntest?«
    Lauscher lachte kurz auf, wurde dann gleich wieder ernst und sagte: »Das ist es nicht, was mich zögern läßt. Aber Angst habe ich schon, nämlich davor, daß mich wieder die Wut packt, wenn ich seine aufsässigen Lieder höre.«
    »Das wäre vielleicht nicht das schlechteste«, sagte Belarni schmunzelnd, doch da mischte sich Arnilukka ein, die bisher schweigend bei ihnen gesessen hatte, und sagte: »Manchmal bricht bei dir doch noch der alte Beutereiter durch, Belarni! Damit wäre keinem geholfen, wenn er diesen Döli noch mehr in Wut bringt.« Dann schaute sie Lauscher an und fuhr fort: »Ich werde in deiner Nähe sein, wenn du zu diesem Zweikampf antrittst.«
    Da blickte Lauscher ihr in die Augen und sagte: »Das wird so sein, als trüge ich noch Arnis Stein auf der Brust. Ich werde diese Herausforderung annehmen.«
    Lauscher traf keinerlei Vorbereitungen, wie sie Döli ihm nahegelegt hatte, sondern hockte weiterhin auf der Treppe vor dem Haus und blies seine Lieder, umringt von den Kindern, die ihm mit glänzenden Augen zuschauten und in manche seiner Melodien mit ihren frischen, ein bißchen grellen Stimmen einfielen. So saß er auch noch am Abend vor dem Wettkampf und beobachtete seine Zuhörer, wie sie von seinen Liedern gepackt wurden und völlig selbstvergessen in den sinkenden Abend sangen, und plötzlich spürte er, daß er die Macht besaß, diese barfüßigen, von den wilden Spielen des Tages ziemlich schmutzigen Kinder zu jeder Stimmungsregung zu verzaubern, die ihm eben in den Sinn kam. Widerstandslos gaben sie sich den Tönen seiner Flöte hin, und er entsann sich jener Kinderschar, die er damals mit seinen Melodien aus den Mauern von Draglop herausgelockt hatte, um sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, bis die Verfolger herangeritten kamen und den Zauber zerbrachen. Er sah wieder die leeren Augen dieser von ihm auf solche Weise ins schutzlose flache Land Verführten, sah diese kleinen, hilflosen Gestalten erschöpft in den Staub des Weges sinken und fühlte wieder die Angst in sich hochsteigen, die ihn damals gepackt und gezwungen hatte, sein Pferd jäh zu wenden und davonzupreschen zu einer polternden Flucht vor diesen abgestorbenen Gesichtern, aus denen ihm eben noch fiebrige Begeisterung entgegengeleuchtet hatte.
    Das Lied, das seine Finger währenddessen wie von selbst weitergespielt hatten, entglitt ihm mitten im Aufschwung der Melodie, der Gesang der Kinder stockte, verwirrte sich, nur einem kleinen, strubbelhaarigen Mädchen gelang es noch, mit dünner, piepsiger Stimme die Strophe zu Ende zu singen. »Geht nach Hause!« sagte Lauscher. »Ich bin müde.«
    Er wurde dieses Bild der von ihm verführten Kinder von Draglop nicht los, nicht während er schweigend beim Abendessen saß und kaum etwas über die Lippen brachte, und erst recht nicht, als er schließlich auf seinem Bett lag und auf das in der Dunkelheit kaum wahrnehmbare Muster der geschnitzten Deckenbalken starrte.
    »Hast du jetzt endlich begriffen, was du hier mit diesen Kindern treibst?« sagte der Graue. Sein farbloses Gesicht hing irgendwo über ihm in der Finsternis und blickte auf ihn herab.
    »Sind sie nicht meine Freunde und lieben meine Musik?« sagte Lauscher in einem schwachen Versuch, das zu bewahren, was er bisher immer empfunden hatte, wenn die kleinen Sänger seine Flötenmelodien aufnahmen, bis er sich getragen fühlte vom Chor ihrer dünnen, schwankenden Stimmen.
    »Freundschaft! Liebe!« sagte der Graue mit einer Grimasse, als spucke er das faule Kerngehäuse einer überreifen Frucht aus, die er wegen ihrer Süße verheißenden Schale angebissen hatte. »Was sind das schon wieder für Wörter! Laß morgen einen kommen, der anders spielt und sein Geschäft dabei genausogut versteht wie du, und sie werden wie

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