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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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namens Jelosch. Er war einer, der sich stets ein wenig abseits hielt und auf besondere Dinge aus war. Eines Morgens im Frühling fuhr er weit hinaus bis zum Schilfgürtel auf der anderen Seite, weil er sich dort einen besonders guten Fang versprach. Und als er am Abend zurückkehrte, saß ein Mädchen in seinem Kahn, das noch keiner im Dorf je gesehen hatte. Dieses Mädchen war von einer seltsamen Schönheit, ihre Haut hatte einen Glanz wie die schimmernde Innenseite von Seemuscheln, ihr braunes Haar war glatt und lang, und ihre dunkelbraunen Augen sahen so aus, als wolle sie jeden Augenblick anfangen zu lachen. Sie hatte nichts am Leib als den alten leinenen Kittel, den Jelosch im Kahn liegen hatte für den Fall, daß er etwas Trockenes zum Anziehen brauchte. Das kam schon damals allen, die Jelosch an diesem Tag bei seiner Rückkehr beobachteten, recht merkwürdig vor; denn man mußte wohl annehmen, daß er das Mädchen nackt gefunden hatte.
    Jelosch, der allein in seinem Haus lebte, da seine Eltern früh gestorben waren, nahm dieses Mädchen zur Frau, und es wunderte sich eigentlich keiner im Dorf, daß er sich weigerte, irgend etwas über ihre Herkunft zu erzählen. Er nannte sie Aglaia, und die Leute fanden, dies sei ein recht fremdartiger Name für eine Fischerfrau. Da Aglaia jedoch stets fröhlich war, gewöhnte man sich an sie, und die Männer fanden schließlich, daß Jelosch mit seiner Frau einen besonders guten Fang gemacht habe; denn sie war nicht nur so schön, daß ihr mancher heimlich nachblickte, wenn sie durchs Dorf ging; sie hielt auch Jeloschs Haus in guter Ordnung und verstand es, farbige Muster auf sein Hemd zu sticken, wie sie hier noch keiner gesehen hatte. Nur erschien den Leuten sonderbar, daß der Saum ihres langen Rockes immer ein wenig feucht zu sein schien, doch das mochte davon kommen, daß man auf einem niedrigen Steg über den Bach gehen mußte, wenn man von Jeloschs Haus zum Dorf wollte. Jelosch war in dieser Zeit so fröhlich wie nie zuvor und sang fast den ganzen Tag.
    Es war noch kein Jahr vergangen, als Jelosch die Hebamme aus dem Dorf holte, weil Aglaia ein Kind gebären sollte. Die Geburt war sehr schwer und zog sich über Stunden hin. Schließlich schenkte Aglaia einem Mädchen das Leben, und sie selbst starb, kaum daß sie das Kind gesehen hatte. Das einzige, was sie noch sagen konnte, war: »Nennt sie Agla.«
    Jelosch schrie die ganze Nacht hindurch seinen Schmerz hinaus, daß es alle im Dorf hören konnten. Am Morgen, als die Leute zu seinem Haus kamen, um die Tote noch einmal zu sehen, war er wieder still und ohne Tränen, aber er soll sein ganzes Leben lang nie wieder gelacht oder gesungen haben. Sein einziger Trost war dieses Kind. Er holte aus der Nachbarschaft eine Amme ins Haus, die Agla versorgte, während er draußen auf dem See fischte. Doch am Abend saß er stundenlang neben der Wiege und schaute in Aglas Augen, die schon jetzt so braun und lustig aussahen wie die ihrer Mutter.
    Aufs Jahr genau an dem Tag, an dem Jelosch Aglaia in sein Haus gebracht hatte, erhob sich mitten in der Nacht ein Sturm, obwohl den ganzen Tag über klares, wolkenloses Frühlingswetter gewesen war. Die Wellen klatschten ans Ufer, und durch das Pfeifen des Windes hörte man ein seltsames Heulen und Schreien. Ein paar beherzte Männer standen auf und gingen hinaus zum See, um die Kähne am Steg auf das Land zu ziehen.
    Hier draußen war dieses Heulen und Schreien noch deutlicher zu vernehmen, und als die Männer hinaus auf das aufgewühlte Wasser blickten, sahen sie dicht vor dem Ufer im Schaum einer Welle einen mächtigen runden Kopf auftauchen, der trotz der Dunkelheit grün über dem kochenden schwarzen Wasser schimmerte. Er sah aus wie der Kopf eines alten Mannes, aber dann doch wieder auch wie der eines Wasserwesens, wie es noch keinem der Fischer begegnet war. Um die breiten, froschigen Lippen zottelte ein grünlicher Bart, und die großen Augen über der flachen Nase waren rund und starr wie die eines Karpfens. Dann hob sich langsam die Gestalt dieses Fischmannes aus der Flut, das Wasser rann von seinen schuppigen Armen, die er zum Himmel hob, während er weiterheulte und schrie. Und jetzt verstanden die Männer auch, was er rief: »Aglaia! Aglaia!«
    Entsetzt liefen alle zurück in ihre Häuser, sperrten die Türen hinter sich ab und blieben die ganze Nacht über wach. Erst gegen Morgen flaute der Sturm ab, und das Rufen und Heulen wurde schwächer und verklang schließlich in der

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