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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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ja!« Noch ein helles Lachen, ein Aufplatschen im Wasser und dann war alles wieder still bis auf das sanfte Quarren der Enten, die noch immer rings um die Insel den Grund absuchten. Nur die weiße war nicht mehr zu sehen.
    Am nächsten Morgen war es vorbei mit dem schönen Herbstwetter. Über Nacht waren schwarze Wolken aufgezogen, und von Norden blies ein eisiger Wind, der die letzten gelben Blätter von den Bäumen fegte. Die weite Fläche des Sees war stumpf und grau, und am Landungssteg zerrten die Kähne im unruhigen Wasser an ihren Haltestricken. Für dieses Jahr war die Zeit des Fischens zu Ende. Die Männer brachten Netze und Reusen herein, um sie während des Winters instand zu setzen, zogen die Kähne an Land und legten sie kieloben auf die Uferböschung. Kurze Zeit später fiel der erste Schnee, und auf dem Flachwasser bildete sich eine dünne Eishaut, die täglich weiter in den See hineinwuchs. An den langen Abenden saßen die Leute in den Stuben beieinander, sangen Lieder, erzählten Geschichten oder tanzten zu Barlos Flöte.
    Als Barlo und Lauscher an einem frostklirrenden Morgen vors Haus traten, sahen sie, wie Walosch aus dem Stall einen langen Pferdeschlitten herausschleppte und fahrbereit machte: »Willst du bei dieser Kälte hinausfahren?« fragte Lauscher.
    »Wir sind zur Hochzeit bei meiner Schwägerin im Nachbardorf eingeladen«, sagte Walosch. »Ihre Tochter Walja heiratet dort einen Fischer. Das ist auch eine aus Aglas Sippe, und man sagt, sie sei ebenso schön wie ihre Ahnin. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr mitreiten. Ein Spielmann ist bei solchen Anlässen immer willkommen.«
    Walosch lieh seinen Gästen ein Paar schwere Pelzröcke, und dann holten sie Pferd und Esel aus dem Stall, während Walosch zwei kleine struppige Gäule anschirrte. Er lud seine ganze Familie samt den Kindern auf den Schlitten, knallte mit der Peitsche und ließ die Pferde über die weite, unberührte Schneefläche am Ufer des Sees entlangtraben. Barlo und Lauscher ritten nebenher.
    Rechts neben ihrer Spur dehnte sich bis zum fernen Waldgebirge am gegenüberliegenden Ufer die verschneite Fläche des zugefrorenen Sees, am Rand markiert durch das starre Muster dürrer Schilfhalme. Als sie einmal eine schmale Bucht überquerten, sang das Eis unter den Kufen des Schlittens.
    Nach etwa zwei Stunden sah Lauscher aus den Schneewehen weiter vorn am Weg Rauch aufsteigen, und erst dann merkte er, daß dies die schneebedeckten Dächer des Nachbardorfes waren, die eben noch über den Rand einer Talmulde herausschauten. Walosch trieb die Pferde mit gellenden Rufen an und ließ den Schlitten den flachen Hang hinuntersausen, daß der Schnee stiebte. Vor einem Fischerhaus mitten im Dorf brachte er den Schlitten zum Stehen, und im gleichen Augenblick wurde auch schon die Tür geöffnet. Zunächst trat ein älterer Mann heraus, hinter ihm eine grauhaarige Frau mit den lustigen braunen Augen der Agla- Sippe und dann noch ein paar jüngere Leute. Inzwischen kamen auch Barlo und Lauscher heran, stiegen von ihren Tieren und blieben abwartend stehen, während die Verwandten einander begrüßten.
    Dann führte Walosch seinen Schwager zu ihnen und sagte zu ihm: »Hier habe ich noch zwei Freunde mitgebracht, Kurlosch, die den Winter über Gäste in meinem Hause sind. Der lange ist Barlo, der Spielmann, und der mit dem Esel heißt Lauscher und ist sein Diener. Ich hoffe, die beiden sind bei der Hochzeit willkommen.«
    »Ein Spielmann?« sagte Kurlosch überrascht und musterte die beiden Fremden mißtrauisch. »Was spielt er denn?«
    »Die Flöte«, sagte Walosch.
    »So, die Flöte«, sagte Kurlosch und blickte noch finsterer als zuvor.
    »Ja, er ist ein Flöter«, sagte Walosch. »Seit wann hast du etwas gegen Leute, die Flöte spielen?«
    »Ich muß mit dir reden, ehe ich sie als Gäste begrüße«, sagte Kurlosch, zog seinen Schwager beiseite und sprach leise auf ihn ein. Lauscher sah, daß Kurlosch immer wieder zu Barlo herüberblickte, während Walosch den Kopf schüttelte und seinen Schwager zu beruhigen versuchte. Schließlich sagte er laut: »Ich verbürge mich für meine beiden Gäste. Laß uns jetzt hineingehen, damit wir uns aufwärmen können.«
    Kurlosch schien noch immer unschlüssig zu sein, aber er kam jetzt zu den Fremden herüber und sagte: »Kommt in mein Haus und wärmt euch, denn ihr seid lange durch die Kälte geritten.« Lauscher bemerkte sehr wohl, daß er sie nicht als Gäste begrüßte, und fragte sich, was der Mann wohl

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