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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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keine Zeit. Erst soll die Hochzeit gefeiert werden. Aber heute abend werde ich dir erzählen, unter welchen Umständen ich den Stein zum erstenmal gesehen habe.«
    »Glaubst du mir jetzt?« fragte Lauscher.
    »Ja«, sagte Kurlosch. »Und ich begrüße euch beide als willkommene Gäste in meinem Haus.«
    Gleich darauf standen alle auf, denn die Braut kam in die Stube. Lauscher sah als erstes die lustigen braunen Augen in dem hellhäutigen, schmalen Gesicht. So mußte Aglaia ausgesehen haben, dachte er. Auch dieses Mädchen wirkte unter den breitgebauten, grobknochigen Fischersleuten wie eine Fremde. Sie trug ein langes, hemdartiges Gewand, das über und über mit verschlungenen farbigen Mustern bestickt war, und in ihrem Haar schimmerte eine silberne, mit Ornamenten aus Perlmutt verzierte Brautkrone. Kurlosch nahm das Mädchen bei der Hand und wendete sich der Tür zu, die man hinter Walja wieder geschlossen hatte. Gleich darauf wurde von draußen angeklopft, und Kurlosch rief: »Wer verlangt Einlaß?«
    »Ein Fischer«, sagte draußen eine Männerstimme.
    »Wie ist dein Name?« fragte Kurlosch.
    »Daglosch«, sagte die Stimme.
    »Was begehrst du?« fragte Kurlosch weiter.
    »Ich begehre deine Tochter Walja zum Weib«, antwortete der Mann hinter der Tür.
    »Dann komm herein, damit ich dich sehen kann«, sagte Kurlosch.
    Da wurde die Tür geöffnet, und ein junger Mann trat herein, der eine gestickte blaue Hemdbluse über der groben Fischerhose trug. Ihm folgte ein älteres Paar, in dem Lauscher Dagloschs Eltern vermutete.
    Kurlosch musterte den jungen Mann, als habe er ihn noch nie gesehen und sagte dann: »Du siehst mir schon so aus, als könntest du eine Frau ernähren. Hier neben mir steht meine Tochter Walja. Sieh sie dir genau an, wenn du sie zur Frau willst.«
    Daglosch lachte und sagte: »Angesehen hab ich sie schon.«
    Jetzt rief Kurlosch seine Frau herbei, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, nahm auch sie bei der Hand und sagte zu Daglosch: »Nun sieh dir Waljas Mutter Gurla an, denn so wird auch Walja einmal aussehen, wenn sie in die Jahre kommt. Siehst du ihr graues Haar, ihre faltigen Wangen, ihre eingefallenen Lippen? Willst du sie noch immer?«
    »Ja«, sagte Daglosch, »denn es wird gut sein, mit einer Frau zusammen zu leben, die diese lustigen braunen Augen hat.«
    »Dann sorge dafür, daß sie nicht traurig werden«, sagte Kurlosch, »denn ich vertraue dir Walja an.«
    »Warte!« sagte jetzt Dagloschs Mutter, »so weit sind wir noch nicht. Denn jetzt frage ich dich, Walja, ob du diesen Jungen überhaupt haben willst. Weißt du, daß er leichtfertig ist, dazu jähzornig und ein großer Angeber? Willst du ihn wirklich zum Manne, diesen Windbeutel?«
    »Ja«, sagte Walja. »Ich will ihn so, wie er ist.«
    »Wirst du ihn auch noch wollen, wenn er einmal so sein wird wie sein Vater?« fragte Dagloschs Mutter. »Sieh dir meinen Mann genau an, wie er hier steht mit seinem faltigen Hals, den verkrümmten Händen. Schau nur, wie ihm die Hose über die mageren Lenden hängt! Wirst du ihn dann noch lieben?«
    Statt einer Antwort ließ Walja die Hand Kurloschs los, ging zu Dagloschs Vater und küßte ihn auf den Mund. Dann schaute sie Dagloschs Mutter mit ihren lustigen Augen an und sagte: »Du brauchst deine Leute nicht weiter schlechtzumachen. Gibst du mir jetzt deinen Sohn?«
    Da lächelte Dagloschs Mutter und sagte: »Du wirst dem Jungen schon Vernunft beibringen. Ich vertraue ihn dir an.«
    Lauscher hatte den Eindruck, als seien diese seltsamen Reden nach einem festgelegten Brauch ausgetauscht worden, dem jetzt Genüge getan war; denn sobald Dagloschs Mutter die letzten Worte gesprochen hatte, war es, als sei ein Bann gebrochen. Alle lachten laut und begannen durcheinander zu reden, bis Gurla die Gäste bat, zum Hochzeitsmahl am Tisch Platz zu nehmen.
    Die Speisefolge braucht hier nicht weiter beschrieben zu werden. Es genügt zu sagen, daß es nicht nur Fisch gab. Gurla hatte jedenfalls ihren Ehrgeiz darein gesetzt, den Schwiegereltern ihrer Tochter zu zeigen, daß man sich auch in diesem Hause aufs Kochen und Braten verstand.
    Als alle satt waren, fingen die Mädchen an zu singen. Es waren die gleichen Lieder, die Lauscher schon in Waloschs Dorf gehört hatte, nur sah er jetzt, daß man zu diesen Liedern auch tanzen konnte. Tische und Bänke wurden beiseite gerückt, um den jungen Leuten Platz zu schaffen, und dann sprangen und stampften die Burschen und Mädchen im Kreis, daß die Stube

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