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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Nada wie im Nada. Gegrüßet seist du, Nichts, voller Nichts, dein Nichts ist mit dir. Das ist Hemingway. Er spürte das Nada von allen Seiten herandrängen. Hemingway hat nie ein Wort Science-fiction geschrieben. Zuletzt übergab er sich heiter dem großen Nada mit einem Gewehrschuß.
    Mein Freund Leon erinnert mich in mancher Beziehung an Henry Darkdawn in De Sotos klassischer ›Kosmos‹-Trilogie. (Wenn ich sagen würde, er erinnerte mich an Stephen Dedalus oder Raskolnikow oder Julien Sorel, würden Sie natürlich keine weitere Beschreibung brauchen, um zu wissen, was ich meine, aber Henry Darkdawn steht vermutlich außerhalb Ihres Bereichs literarischer Erfahrung. De Sotos Trilogie behandelt die Entstehung, Ausdehnung und den Verfall einer quasireligiösen Bewegung in den Jahren 30000 bis 35000 A. D. mehrere Galaxien umspannend, und Darkdawn ist ein charismatischer Prophet, menschlich, aber unsterblich, oder auf jeden Fall ungewöhnlich langlebig, der in sich die Funktionen von Moses, Jesus und Paulus vereinigt: Seher, Vermittler mit höheren Kräften, Organisator, Führer, und, zuletzt, Märtyrer.) Die Großartigkeit der Serie beruht vor allem darauf, daß De Soto in den Charakter Darkdawns eindringt, so daß er nicht bloß ein fernes Halbrelief ist – Der Prophet –, sondern ein warmer, atmender Mensch. Das heißt, man sieht ihn mit Warzen und allem – ein differenziertes Konzept für Science-fiction, die stark dazu neigt, statt lebender Gestalten Marmorstatuen vorzuführen.
    Leon wird natürlich kaum je einen galaxisweiten Kult begründen, aber er besitzt viel von der Intensität, die sich bei mir mit Darkdawn verbindet. Seltsamerweise ist er ziemlich groß – einsachtundachtzig, würde ich sagen – und sieht auf konventionelle Weise gut aus; Leute seines Typs besitzen meist keine hohe innere Energie, wie ich festgestellt habe. Aber trotz seiner natürlichen physischen Vorteile muß irgend etwas Leons Seele in seiner Jugend zusammengepreßt und umdirigiert haben, weil er ein Grübler ist, ein Träumer, einer, der Feuer atmet, immer neue visionäre Pläne für die Umorganisation unseres Büros und dergleichen daherbringt. Er ist derjenige, der gewöhnlich SFMagazine als Geschenk auf meinem Schreibtisch hinterläßt, aber er ist auch derjenige, der sich am meisten über mich lustig macht, weil ich lese, was er für Schund hält. Da kann man seine widersprüchliche Natur sofort erkennen. Er ist schüchtern und aggressiv, hartgesotten und verletzbar, zuversichtlich und unsicher, das ganze verrückte menschliche Gemisch, alles ganz vorn in der ersten Reihe.
    Letzten Dienstag aß ich bei ihm zu Abend. Ich gehe oft hin. Seine Frau Helene ist eine großartige Köchin. Sie und ich hatten vor fünf Jahren eine Affäre miteinander, die ungefähr ein halbes Jahr dauerte. Leon wußte nach der dritten Begegnung Bescheid, aber zu mir hat er nie ein Wort gesagt. Nach Helenes verzweifelter Leidenschaftlichkeit zu urteilen, müssen sie und Leon keine sehr guten sexuellen Beziehungen haben; wenn sie mit mir im Bett war, schien sie immer alles auf einmal haben zu wollen, jede Stellung, jede Art von Empfindung, so, als habe sie viel zu lange darben müssen. Möglicherweise war Leon froh darüber, daß ich einen Teil des sexuellen Drucks von ihm nahm, und bedauerte im stillen, daß ich mit seiner Frau nicht mehr schlafe. (Ich beendete das Verhältnis, weil sie mir zuviel Energie raubte, und weil ich Schwierigkeiten hatte, Leons freien, offenen Blick zu erwidern.)
    Am vergangenen Dienstag ging Helene kurz vor dem Essen in die Küche, um nach dem Herd zu sehen. Leon entschuldigte sich und ging ins Badezimmer. Ich stand einen Augenblick allein am Bücherregal, prüfte, wie es meine Art war, automatisch, ob sie SF-Literatur hatten, und folgte dann Helene in die Küche, um mein Glas aus dem Martini-Krug im Kühlschrank nachzufüllen. Plötzlich war sie bei mir, klammerte sich fest, suchte meinen Mund mit ihren Lippen. Sie murmelte meinen Namen; sie krallte die Fingernägel in meinen Rücken.
    »He«, sagte ich leise. »Augenblick mal! Wir sind uns einig gewesen, daß wir damit nicht wieder anfangen!«
    »Ich will dich haben!«
    »Nicht, Helene.« Sanft befreite ich mich von ihr. »Komplizier die Dinge nicht. Bitte.«
    Ich machte mich los. Sie wich mit gesenktem Kopf zurück und ging mürrisch zum Herd. Als ich mich umdrehte, sah ich Leon unter der Tür stehen. Er mußte die ganze Szene beobachtet haben. Seine schwarzen Augen

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