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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schimmerten von halb unterdrückten Tränen; seine Lippen zitterten. Ohne etwas zu sagen, nahm er mir den Glaskrug aus der Hand, füllte sein Martiniglas und leerte es auf einen Zug. Dann ging er ins Wohnzimmer, und zehn Minuten später unterhielten wir uns über Bürodinge, als sei nichts geschehen. Ja, Leon, du bist Henry Darkdawn bis zum letzten Zoll. Aus Holz wie deinem werden Propheten geschaffen, Leon. Aus Holz wie deinem schnitzt man kosmische Märtyrer.
    Niemand konnte den Unterschied noch erkennen. Der glatte, schlüpfrige Android hatte die Persönlichkeit seines Schöpfers völlig verschlungen.
    Ich stand am Rand des Abgrunds und starrte entsetzt auf das rote, aufgedunsene Ding, das die lebenspendende Sonne der Erde gewesen war.
    Die Horde der Roboter –
    Das fremde Raumschiff, in einer Spirale wild hinabstürzend –
    Lachend öffnete sie die Faust. Die Q-Bombe lag mitten auf ihrer Handfläche.
    »Zehn Sekunden«, sagte sie.
    Wie warm es heute abend ist! Ein klammer Handschuh schwüler Feuchtigkeit umschließt mich. Der Schlaf will sich nicht einstellen. Ich spüre rings um mich einen entsetzlichen Druck. Ja! Der Strahl grünen Lichts! Endlich, endlich, endlich! Er umfängt mich, hebt mich, läßt mich durch das offene Fenster hinausschweben. Hoch über der dunklen Stadt. Weiter und immer weiter, durch die Leere, hinaus aus Zeit und Raum. Zum Tunnel. Setzt mich ab. Hier. Hier. Ja, genau, wie ich es mir vorgestellt habe: die Wände aus Onyx, das ursprungslose, trübe Leuchten, das hohe Gewölbe über mir, die stummen, fremden Gestalten, die auf mich zugleiten. Hier. Endlich der Tunnel. Ich mache den ersten Schritt. Noch einen. Noch einen. Ich bin unterwegs.

Aus dem Tagebuch eines Zeitreisenden
    Wenn das Leben überhaupt lebenswert sein soll, brauchen wir wenigstens die Illusion, daß wir fähig sind, in der Welt, in der wir leben, umfassende Veränderungen herbeizuführen. Ich sage, wenigstens die Illusion. Die echte Fähigkeit, Wandel herbeizuführen, wäre offensichtlich vorzuziehen, aber nicht alle von uns erreichen diese Stufe, und selbst die Illusion der Macht bietet Hoffnung, und Hoffnung erhält das Leben. Es kommt darauf an, keine Marionette zu sein, kein passives Spielzeug des Karma darzustellen. Ich glaube, Sie werden bestätigen, daß umfassende Veränderungen in der Gesellschaft erforderlich sind. Wer wird sie durchsetzen, wenn nicht Sie und ich? Wenn wir uns sagen, daß wir hilflos sind, daß sinnvolle Reformen unmöglich sind, daß der Status quo für immer bestehenbleiben wird, dann brauchen wir uns gar nicht die Mühe zu machen, weiterzuleben, finden Sie nicht? Ich meine, wenn der Omnibus versagt und der Fahrer mit Drogen vollgepumpt ist und alle Türen verklemmt sind, ist es besser, das Zyankali zu nehmen, als auf den unvermeidlichen, grausigen Zusammenstoß zu warten. Aber wir wollen uns natürlich nicht in dem Glauben lassen, wir seien hilflos. Wir möchten glauben, daß wir das Lenkrad packen und den Bus wieder auf Kurs bringen und sicher zur Werkstätte lenken können. Richtig? Richtig. Das möchten wir glauben. Auch wenn es nur eine Illusion ist. Denn manchmal – wer weiß? kann man eine Illusion verfestigen und Wirklichkeit werden lassen.
    Die Personen der Handlung. Thomas C. unsere Hauptfigur, Alter: zwanzig Jahre. Wenn wir ihn zum erstenmal sehen, schläft er, die Strähnen seiner langen, braunen Haare um das Gesicht gelegt. Verwaschene Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck ›Umweltschutz jetzt!‹ liegen zusammengeknüllt vor dem Bett am Boden. Er ist ein Elephant Mount im Bundesstaat Wisconsin aufgewachsen und jetzt das dritte Jahr an der Universität. Er scheint friedlich zu schlafen, aber durch sein träumendes Gehirn huschen beunruhigende Phantome: Lee Harvey Oswald, George Lincoln Rockwell, Neil Armstrong, Arthur Bremer, Sirhan Sirhan, Hubert Humphrey, Mao Tse-Tung, Leutnant William Galley, John Lennon. Jedes stellt sich der Reihe nach vor, vollführt einen kleinen leichtfüßigen Tanz, der seinen Charakter ausdrückt, verschwindet und taucht anderswo in Thomas’ Hirnrinde wieder auf. An der Wand von Thomas’ Zimmer hängen verschiedene zeitgenössische Totems: eine Riesenfotografie von Spiro Agnew beim Golf, ein bunter Aufkleber mit dem Text ›Deine Stimme für McGovern‹, und Transparente, die jeweils verkünden: ›Befreit Angola‹, ›Unterstütz deine örtlichen Bullen‹, ›Die Macht dem Volke‹ und ›Che lebt!‹. Thomas hat eine extrem zeitgenössische

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