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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sobald es angemessen erschien, und blieb sonst distanziert, zuhörend nur mit dem Automatik-Recorder-Teil seines Gehirns. Sie saßen auf der Terrasse eines Freiluftrestaurants in Tiberias am Ufer des Galiläischen Meeres und blickten hinüber auf die nackten, braunen Hügel Syriens auf der anderen Seite. Die Dezemberluft war mild, die Sonne warm. Vergangene Woche war Breckenridge in Monaco, Zürich und Mailand gewesen. Gestern Tel Aviv, morgen Haifa, nächsten Dienstag Istanbul. Dann weiter nach Nairobi, Johannesburg, Peking, Singapur. Schließlich San Francisco, und dann nach Hause. Flutsch! Eine irre Reise um die Welt in zwanzig Tagen, eine Menge internationaler Abschlüsse für die Firma. Man hätte das alles telefonisch machen können, oder manche von diesen ausländischen Größen hätten nach New York kommen können, aber Breckenridge hatte sich freiwillig erboten, die Reise zu machen. Warum? Warum? Hier zu sitzen, zehntausend Meilen von zu Hause, zu Mittag zu essen mit einem Mann, dessen Büro in derselben Straße war wie das seine. Verrückt. Warum diese Hast, Noel? Wohin glaubst du damit zu kommen?
    »Noch Wein?« fragte Feingold. »Was halten Sie eigentlich von diesem isrealischen Gesöff?«
    »Es paßt gut zum Fisch.« Breckenridge griff nach Feingolds Vertragskopie. »Ich zeichne gleich ab.«
    »Wollen Sie nicht zuerst alles prüfen?«
    »Nicht nötig. Ich habe Vertrauen in Sie, Sid.«
    »Na ja, beschummeln würde ich Sie nicht, das ist wahr. Aber ich könnte mich geirrt haben. Fehler macht jeder.«
    »Das glaube ich bei Ihnen nicht«, sagte Breckenridge. Er
    grinste. Feingold grinste. Hinter dem Grinsen lauerte etwas Kaltes. Breckenridge senkte den Blick. Du glaubst, ich gebe mir besondere Mühe, dich wie einen Gentleman zu behandeln, dachte er, weil du weißt, was Leute wie ich bekanntermaßen über Juden denken, und ich weiß, daß du es weißt, und du weißt, daß ich weiß, daß du es weißt, und – und – na, du kannst mich, Sid. Traue ich dir? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber das Entscheidende ist, daß es mir gleichgültig ist. Pack die Karten, wie du willst, Feingold, es ist mir einfach gleichgültig. Ich wäre am liebsten auf dem Mars. Oder auf Pluto. Oder im Jahr Zwei Milliarden. Flutsch! Quer durch das ganze Kontinuum! Noel Breckenridge, im Begriff auszuflippen! Er hörte sich sagen: »Wollen Sie meine geheimen Phantasien hören, Sid? Ich träume davon, eines Tages als Jude aufzuwachen. Es ist so verdammt langweilig, ein Goj zu sein, wissen Sie das? Ich fühle mich so sanft, so normal, so so nnig. Ich beneide euch um diese fiebrige, ausgefallene Kompliziertheit der Seele. Diese lange Geschichte, die ihr habt. Gettos, Verfolgung, das knappe Entrinnen, Pläne fürs Überleben und für Rache, ein Gefühl der Stammeseinheit, entstanden aus geteiltem Leid. Für einen Goj ist es so schwer, eine ehrliche Paranoia zu entwickeln, wissen Sie. Von ein wenig Schizophrenie gar nicht zu reden.« Feingold grinste immer noch. Er füllte Breckenridges Weinglas erneut. Er ließ nicht erkennen, daß er irgend etwas gehört hatte, was ihn hätte beleidigen können. Vielleicht habe ich gar nichts gesagt, dachte Breckenridge.
    Feingold sagte: »Wenn Sie nach New York zurückkommen, Noel, müssen Sie einmal zum Essen zu uns kommen. Sie und Ihre Frau. Vielleicht übers Wochenende. Kaminfeuer, dicke Steaks, guter Wein in rauhen Mengen. Es wird Ihnen gefallen bei uns.« Drei Israeli-Jets dröhnten in niedriger Höhe über Tiberias hinweg und verschwanden Richtung Libanon. »Kommen Sie? Paßt das in Ihren Terminkalender?«
    Einige mögliche Strukturhypothesen: LEBEN ALS SINNLOSER ZUSTAND
    Breckenridge in der Wall Street.
    Die vier Sucher in Die tote Stadt. beliebiger
    Bewegung.
    LEBEN, DURCH KUNST SINNVOLL GEWORDEN
    Breckenridge erinnert sich an uralte Mythen. Die vier Sucher erwirken seine Gegenwart und verlangen die Mythen.
    Die tote Stadt doch bewohnt. Die
    Bewohner hören Breckenridge zu.
    DIE WIRKUNG DER ENTROPIE
    Seine Geschichten sind verwirrte
    Träume.
    Die Sucher streiten über die Theorie. Die Stadtbewohner sprechen eine
    unbekannte
    Sprache.
    ASPEKTE DES BEWUSSTSEINS
    Er ist ein doppeltes Die vier Sucher Selbst. zweifeln am historischen Hintergrund. Die meisten
    Stadtbewohner schlafen.
    Mit jedem Abend wurde seine Zuhörerschaft größer. Sie kamen aus allen Teilen der Stadt, lautlos, bei Sonnenuntergang zu dem Platz gezogen, wo die Besucher lagerten. Hunderte nun schon, die außerhalb des

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