Steinbock-Spiele
uns!
Aber es gibt wirklich so wenig zu sagen, außer auf dem einen, transzendentalen Gebiet, wo es so viel gibt. Und wie könnte man das ausdrücken?
Wie kann dies –
Er bleibt an der Sichtscheibe im Hauptkorridor stehen, einem ein Dutzend Meter langen, rechteckigen Fenster, das direkten Zugang zur äußeren Umwelt erlaubt. Die perlgraue Leere des Nicht-Raums, dicht und alles erfüllend, preßt sich an die Haut des Schiffes. Während der Ausbildungszeit sind die Mitglieder der Expedition gewarnt worden, bei der Durchquerung der Galaxis keine Wahrnehmungen über das Äußere zu erwarten; sie würden durch eine Leere von unendlicher Länge fliegen, ein materiefreies Rohr, und es würde nichts zu besichtigen geben, keinen Hintergrund ferner Sternennebel, keine glitzernden Sterne, keine verirrten Meteore, nicht einmal ein paar zusammenprallende Atome, die den winzigsten, flüchtigsten Funken auslösten, nur ein ewiges Gleiches, wie eine leere Wand. Man hatte ihnen Methoden beigebracht, damit fertig zu werden: wendet euch nach innen, verlangt vom Universum außerhalb des Schiffes keine Ergötzungen, macht das Schiff selbst zu eurem Universum. Und doch, und doch, wie irregeleitet waren diese Warnungen gewesen! Der Nicht-Raum war nicht eine Wand, sondern eher ein Fenster. Für die Menschen auf der Erde war es unmöglich, zu begreifen, welche Offenbarungen in dieser scheinbaren Leere verborgen lagen. Der Jahres-Kapitän, dessen Kopf nach der Begegnung mit Noelle brummt, gibt sich jetzt seinem größten Vergnügen hin. Ein Blick auf die Sichtscheibe zeigt den Ort, wo das Immanente zum Transzendenten wird: Der Jahres-Kapitän sieht erneut die endlos zurückgestrahlten Energiewellen, die durch das Grau laufen. Was außerhalb des Schiffes liegt, ist weder eine nackte Wand noch ein leeres Rohr; es ist eine betäubende Vielfalt von ineinander verschlungenen Energiefeldern, die alles mit allem verbinden; es ist Musik, die auch Licht, Licht, die auch Musik ist, und die Wesen an Bord sind vernunftbegabte Partikel, in dieses riesige, alles umschlingende Reverberieren gänzlich verflochten, in dieses strahlende Lied der Freude, welches das Universum ist. Die Reisenden fliegen freudig dem Mittelpunkt aller Dinge entgegen, geben sich gerne in die Obhut kosmischer Kräfte, die menschliche Kontrolle und menschliches Begreifen weit übersteigen. Er preßt die Hand auf das kühle Glas. Er legt das Gesicht daran. Was sehe ich, was fühle ich, was erfahre ich? Es ist augenblickliche Offenbarung, jedesmal. Es ist – beinahe, beinahe! – das begehrte Eins-Sein. Barrieren bleiben, aber trotzdem ist er sich eines veränderten Sinnes für Raum und Zeit bewußt, einer Erkenntnis des ehrfurchtgebietenden Etwas, das in den Lücken zwischen den Speichen des Kosmos lauert, etwas Majestätisches und Mächtiges; er weiß, daß dieses Etwas ein Teil von ihm, und er ein Teil davon ist. Wenn er an der Sichtscheibe steht, sehnt er sich danach, die große Luke des Schiffes zu öffnen und ins Ewige hinauszustürzen. Aber noch nicht, noch nicht. Barrieren bleiben. Die Reise hat erst begonnen. Sie wachsen dem Gesuchten mit jedem Tag entgegen, aber die Reise hat erst begonnen.
Wie könnten wir davon etwas jenen vermitteln, die zurückgeblieben sind? Wie könnten wir erreichen, daß sie begreifen?
Nicht mit Worten. Nie mit Worten.
Sie sollen hierherkommen und selbst sehen –
Er lächelt. Er zittert und windet sich ein wenig schaudernd vor Freude. Er wendet sich ab von der Sichtscheibe, ausgesaugt, ekstatisch.
Noelle liegt in beunruhigenden Träumen. Sie ist an Bord eines Schiffes, eines archaischen Dreimasters, der durch eine eisige See stampft. Die Takelage glitzert von langen Eiszapfen, die ab und zu im wilden Sturm abbrechen und klirrend auf Deck zerspringen. Das Deck hat einen glitschigen, glänzenden Überzug aus dünnem, harten Eis, und man kann sich kaum auf den Beinen halten. Riesige ausgezackte Eisberge wogen wild im grauen Wasser, steigen herauf, klatschen auf die Wellen, tauchen unter. Wenn einer dieser Eisberge den Rumpf rammt, wird das Schiff sinken. Bis jetzt haben sie Glück gehabt, aber nun kommt eine subtilere Bedrohung. Das Meer friert zu. Es gerinnt, erstarrt, wird zu einer viskosen Flüssigkeit, die träge wogt. Breite, glänzende Platten tanzen auf den Wellen: neue Eisschollen, zusammenstoßend, knirschend, mahlend; die Schollen bekriegen sich, zerstören sich wechselseitig die Ränder, aber manche schließen Verträge, vereinigen
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