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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Ablenkung, nicht mehr. Als die neueste Kuriosität. Unerschrockene Forscher wagen sich in die unerkundete Wildnis des interstellaren Nicht-Raums.« Seine Stimme klingt rauh in seinen Ohren, sein Sprachrhythmus stockend und plump. Seine Worte überraschen ihn. Er hat nicht gewußt, daß er so über die Erde denkt. Trotzdem spricht er weiter. »Das ist alles, was wir darstellen: Neuartigkeit, Abenteuer aus zweiter Hand, einen Augenblick der Unterhaltung.«
    »Meinen Sie das wirklich? Es klingt so furchtbar zynisch.«
    Er zuckt die Achseln.
    »Noch einmal sechs Monate, und sie werden sich mit uns und unseren Meldungen tödlich langweilen. Vielleicht schon früher. Noch ein Jahr, und sie haben uns vergessen.«
    Sie sagt: »Ich sehe Sie nicht als Zyniker. Dabei sagen Sie oft solche« – sie stockt – »solche –«
    »Solche allzu offenen Dinge? Ich bin Realist, denke ich. Ist das soviel wie ein Zyniker?«
    »Versuchen Sie nicht, sich ein Etikett aufzukleben, JahresKapitän.«
    »Ich versuche nur, die Dinge realistisch zu betrachten.«
    »Sie wissen nicht, was real ist. Sie wissen nicht, was Sie sind, Jahres-Kapitän.«
    Das Gespräch ist plötzlich außer Kontrolle geraten: viel zu sehr unter Hochspannung, viel zu intim. So hat sie vorher nie gesprochen. Es ist, als sei eine bösartige Elektrizität in der Luft, ein prickelndes Feld, das ihr und sein normales Selbst verzerrt, das sie unnatürlich anspannt und aggressiv macht. Er spürt Panik. Wenn er das empfindliche Gleichgewicht von Noelles Bewußtsein stört, wird sie dann mit der fernen Yvonne noch Kontakt aufnehmen können?
    Er kann nicht verhindern, daß er zurückgibt: »Wissen Sie denn, was ich bin?«
    »Sie sind ein Mann auf der Suche nach sich selbst«, sagt sie. »Deshalb haben Sie sich freiwillig dazu gemeldet, hier so weit hinauszufliegen.«
    »Und warum haben Sie sich freiwillig dazu gemeldet, so weit hinauszufliegen, Noelle?« fragt er hilflos.
    Sie läßt die Lider langsam über ihre blinden Augen sinken und antwortet nicht. Er versucht, noch etwas zu retten, indem er ruhiger in ihr gespanntes Schweigen hineinsagt: »Schon gut. Ich wollte Sie nicht aufregen. Übermitteln wir den Bericht?«
    »Warten Sie.«
    »Gut.«
    Sie scheint sich zu sammeln. Einen Augenblick danach sagt sie weniger gereizt: »Wie, glauben Sie, sieht man uns zu Hause? Als gewöhnliche Menschen, die eine ungewöhnliche Aufgabe übernommen haben, oder als übermenschliche Wesen auf einer heroischen Reise?«
    »Im Augenblick als übermenschliche Wesen auf einer heroischen Reise.«
    »Und später werden wir in ihren Augen gewöhnlicher werden?«
    »Später werden wir gar nichts für sie sein. Sie werden uns vergessen.«
    »Wie traurig.« Ihr Tonfall hat einen Beiklang von Ironie. Sie lacht ihn vielleicht aus. »Und Sie, Jahres-Kapitän? Sehen Sie sich als gewöhnlich oder als übermenschlich?«
    »Als irgend etwas dazwischen. Etwas mehr als gewöhnlich, aber kein Halbgott.«
    »Ich betrachte mich als ganz gewöhnlich, abgesehen von zwei Ausnahmen«, sagt sie süßlich.
    »Die eine ist Ihre telepathische Verständigung mit Ihrer Schwester, und die andere –« Er zögert, auf rätselhafte Weise verlegen, weil er sie benennt. »Die andere ist Ihre Blindheit.«
    »Natürlich«, sagte sie. Lächelt. Strahlend. »Geben wir jetzt den Bericht weiter?«
    »Haben Sie Verbindung mit Yvonne?«
    »Ja. Sie wartet.«
    »Nun, gut dann.« Er blickt auf seine Notizen und beginnt langsam zu lesen: »›Einhundertsiebzehnter Tag. Geschwindigkeit… Scheinbarer Ort…«
    Sie macht nach jeder Übertragung ein Nickerchen. Sie erschöpfen sie. Sie war schon dabei nachzulassen, bevor er das Ende der heutigen Botschaft erreichte; jetzt, als er in den Korridor tritt, weiß er, daß sie einschlafen wird, bevor er die Tür schließt. Er geht mit gerunzelter Stirn, bedrückt von dem sonderbaren Spannungsausbruch zwischen ihnen, und von seinem rätselhaften ›Realismus‹-Anfall. Mit welchem Recht behauptet er, die Erde werde der Reisenden überdrüssig werden? Während der ganzen Jahre der Vorbereitung auf diese erste interstellare Reise hat die Erregung der Öffentlichkeit nie nachgelassen, ja sogar die Reisenden selbst zu Zeiten angespornt, wenn ihre endlosen Ausbildungsprogramme sie mit Langeweile bedrohten. Die Botschaften der Erde, von Yvonne an Noelle weitergereicht, vibrieren vor begierigen Fragen; die Neugierde der Heimatwelt ist seit dem Start geradezu überwältigend gewesen. Sagt uns, sagt uns, sagt

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