Steinbrück - Die Biografie
nicht ungewöhnlich, sondern die Regel. Ganze Abteilungen bei Post und Telekom beschäftigen sich mit Wünschen und »Anregungen« aus der Politik. Schließlich greifen längst nicht nur der Bundesfinanzminister und sein für Bundesbeteiligungen zuständiger Staatssekretär zur Feder. Auch andere Minister und nahezu alle Abgeordneten aus Bund und Ländern sind der Meinung, sie könnten als gefühlte »Miteigentümer« von Post und Telekom jederzeit Kritik äußern und Sonderwünsche direkt bei den Unternehmenschefs einfordern.
Doch Peer Steinbrück geht es in dem Schreiben an Ricke und Zumwinkel nicht um unternehmenspolitische Fragen. Vielmehr trägt er auf dem offiziellen Briefpapier des Bundesfinanzministeriums ein rein persönliches Anliegen vor, das eng mit seiner großen Leidenschaft zusammenhängt: »Als begeisterter Schachspieler hatte ich vor einiger Zeit das Vergnügen, gegen den amtierenden Schachweltmeister Wladimir Kramnik in Dortmund eine Partie spielen zu dürfen«, eröffnet Steinbrück sein Schreiben an die beiden Topmanager. Gleich im nächsten Satz stellt er klar, dass er nicht irgendein Hobbyspieler ist: »Wider Erwarten der Fachwelt« habe er die Partie gegen den Weltmeister nämlich nur »knapp verloren«. Jedenfalls steht er seit jenem denkwürdigen Spiel mit Wladimir Kramnik in persönlichem Kontakt. Jetzt ist der Champion mit einem Anliegen an ihn herangetreten, »das ich gerne unterstütze«, betont Steinbrück. Allerdings könne er das »nicht ohne Hilfe tun. Deshalb wende ich mich heute an Sie.«
Kurz gesagt: Der passionierte Schachspieler und Wahl-Bonner Steinbrück braucht dringend Geld, um ein großes Schachevent mit Weltmeister Kramnik und anderen Größen des Brettspiels an den Rhein zu holen. Wie sehr er sein Herz an das Projekt hängt, zeigt allein schon das ungewöhnliche Engagement des viel beschäftigten Ministers: Steinbrück hat sich bereit erklärt, die Schirmherrschaft des Bonner Schachwettkampfs zu übernehmen. Alles was noch fehlt, ist ein ordentliches Sponsoring, und da kommen die beiden Vorstandschefs der größten Bonner Unternehmen ins Spiel: Steinbrück will von Ricke und Zumwinkel eine Million Euro für sein Schachevent.
Zur Begründung seines Anliegens geht der Finanzminister in dem zweiseitigen Schreiben ungewöhnlich ins Detail: Kramnik werde Ende des Jahres 2006 in der Bundeskunsthalle Bonn sechs Partien gegen »Deep Fritz« spielen, den »mit Abstand leistungsstärksten Schachcomputer der Welt«, schwärmt Steinbrück. Die Veranstaltung sei »bereits komplett organisiert und wird von einer eigens gegründeten Agentur, der Universal Event Promotion Event GmbH (UPE) mit Sitz in Dortmund, durchgeführt«. Man habe mit »Herrn Josef Resch frühzeitig einen Investor gefunden, der diesen international beachteten und schon heute von großem Medieninteresse begleiteten Wettkampf vorfinanziert«.
Josef Resch ist in den Geschäftskreisen des Ruhrgebiets kein Unbekannter. Sein beachtliches Vermögen machte der 55-jährige Händler mit dem eisgrauen Bart und den eng stehenden blauen Augen in der Metallbranche als Vermittler zwischen deutschen und russischen Firmen. Der mit einer Russin verheiratete Geschäftsmann und Agent ist nach eigenen Worten »seit 20 Jahren in der Metallwelt zu Hause«. Inzwischen habe sich sein »Geschäft so stabilisiert«, dass er darangehen konnte, »etwas für das Schach zu tun«, sagte er damals in einem Interview. Viele Leute hätten auf ihn eingeredet, »dass es in der Schachwelt eigentlich wenige seriöse Macher gibt, die etwas bewegen und auch realisieren können«. Und da er »ein unternehmerischer Mensch« sei, habe er sich eben »überlegt, ob ich nicht im Schach etwas machen will«. Also gründete er eine Firma, die sich auf die Organisation von Schachturnieren verlegte.
Doch so ganz selbstlos, wie er klang, war der Geschäftsmann nicht. Resch benötigte zusätzliches Geld, um ein solches Großereignis auf die Beine zu stellen. Zumal er selbst natürlich dabei kein Geld verlieren wollte. Deshalb war es auch nicht das Ziel des ehrgeizigen Metallhändlers, lediglich lokale Veranstaltungen zu organisieren. Ihm schwebten möglichst große und hochrangig besetzte Ereignisse vor. Resch betrachtete das für Ende 2006 geplante Duell seines Freundes Kramnik gegen den Schachcomputer »Deep Fritz« bloß als Vorspiel und Aufwärmübung für ein Topevent: 2007 wollte er die »World Chess Challenge« nach Bonn holen, also die offizielle
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