Steinbrück - Die Biografie
Schachweltmeisterschaft.
Diese Aussicht, die weltbesten Schachspieler in seine Wahlheimat locken zu können, scheint Steinbrück geradezu elektrisiert zu haben. Mit warmen Worten wirbt er bei Telekom-Chef Ricke darum, im Spiel der Könige die beiden Titanen unter den Augen der Weltöffentlichkeit am Rhein gegeneinander antreten zu lassen. Ziel sei ein Duell zwischen Wladimir Kramnik und dem Inder Viswanathan Anand als Herausforderer.
Allerdings hat die Sache einen Haken. Organisator Resch macht die Finanzierung der Weltmeisterschaft in Bonn »davon abhängig, dass sein Investment für den Kampf › Deep Fritz‹ gegen Kramnik hereingespielt wird«, schreibt Steinbrück an Ricke. »Die Frage und herzliche Bitte, die ich heute an Sie richte, lautet ganz konkret: Halten Sie es für möglich, dass die Deutsche Telekom als Hauptsponsor einer ›Telekom World Chess Challenge‹ aktiv wird?« Kostenpunkt für das Sponsoring wie gesagt: rund eine Million Euro.
Als habe Steinbrück die Bauchschmerzen von Ricke und Zumwinkel bezüglich der erbetenen Millionenspende vorausgeahnt, fügt er am Schluss seines Briefes ein paar beschwichtigende Worte hinzu: »Mir ist bewusst, dass ein Konzern wie der Ihre an ein solches Engagement andere Maßstäbe anlegt als jene 300 Millionen weltweit aktiven Schachspieler, die diesen Wettkampf vor allem unter sportlichen Gesichtspunkten betrachten«, räumt der Bundesfinanzminister ein. Allerdings versichert der Finanzminister den beiden Managern, dass der Millionenbetrag als Sponsorengeld gut angelegt sei. »Ich bin sicher, dass sich Ihre Unterstützung im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen wird.«
Zumwinkel war sich der Brisanz dieser Anfrage voll bewusst. Ausführlich besprach er die Angelegenheit mit Monika Wulf-Mathies. Die frühere EU-Kommissarin und Vorsitzende der Gewerkschaft ÖTV diente der Post als oberste Beraterin in politischen Fragen. Auch Ricke lag die persönliche Bitte des Bundesfinanzministers im Magen. Unter normalen Umständen wäre diese Sponsoranfrage wohl nie beim Vorstandsvorsitzenden gelandet. Hätte Schachorganisator Resch nicht den Bundesfinanzminister vorgeschickt, wäre die Sache bestenfalls von einem Abteilungsleiter bearbeitet und mit wenigen freundlichen Worten abgelehnt worden. Bei Steinbrück sah das natürlich ganz anders aus. Schließlich war er der oberste Vertreter des Hauptanteilseigners. Und der Minister hatte keinerlei Zweifel daran gelassen, wie wichtig es ihm war, die beiden Schachereignisse in Bonn realisieren zu können.
Wie eine heiße Kartoffel wurde der Brief von Steinbrück mit der Bitte um die Millionenspende durch mehrere Abteilungen gereicht, bis sich Ricke nach einem Monat Bedenkzeit am 9. Mai 2006 zu einer Antwort durchrang. Wortreich verwies er auf die vielfältigen Aktivitäten der Telekom im Bereich des Sportsponsorings, angefangen mit dem T-Mobile-Radteam, den Telekom Baskets und der Partnerschaft mit dem Deutschen Fußball-Bund anlässlich der 2006 ausgetragenen Weltmeisterschaft in Deutschland. Sodann führte Ricke die zahllosen Projekte des Konzerns bei Kultur, Bildung sowie Forschung und Innovation auf, um dann seine Ablehnung zu formulieren. »Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie herzlich um Verständnis dafür, dass wir von einer Beteiligung als Hauptsponsor an der ›World Chess Challenge 2006‹ leider absehen müssen.«
Auch Zumwinkel zeigte Steinbrück die kalte Schulter. »Der Minister war damals schon ziemlich sauer«, erinnert sich heute jemand, der die Absagen nach Berlin kommunizieren musste. Nicht nur Steinbrück war aufgefallen, dass Post und Telekom zweistellige Millionenbeträge für alle möglichen gesellschaftlichen Projekte aufwendeten. »Da wäre es doch mit ein bisschen gutem Willen auf eine Million mehr oder weniger nicht angekommen«, urteilte später ein Bonner Insider über die heikle Angelegenheit.
Am Ende fanden sich nach mühsamer Suche andere Sponsoren für die Schachweltmeisterschaft in Bonn. Das erforderliche Geld konnte die Firma UEP des deutsch-russischen Metallhändlers Josef Resch schließlich bei Evonik Industries sowie bei Gazprom einsammeln. Erneut hatte Schachfreund Steinbrück seine Beziehungen spielen lassen. Chef des Mischkonzerns Evonik war zu jener Zeit der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller. Und wenn es um Gazprom ging, stand mit Gerhard Schröder immerhin ein früherer Bundeskanzler bereit, der für die Gazprom-Tochter Nordstream arbeitete und alten Freunden gerne
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