Steinbrück - Die Biografie
»finanzielle Kraftakt« dann wirklich reichen müsse.
Als trotzdem recht bald schon Nachforderungen laut werden, beginnt das Spiel von vorne: erst ablehnen, dann zaudern und schließlich kraftvoll umschwenken. Im Januar 2009 wird das mit 55 Milliarden Euro Umfang größere Konjunkturpaket II beschlossen, bereits zwei Monate nach dem ersten. So schnell ändern sich die Meinungen.
Der IWF schätzt den Gesamtumfang der deutschen Konjunkturspritzen auf zusammen 68 Milliarden Euro. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln beliefen sich die deutschen Aufwendungen für Konjunkturprogramme auf zusammen 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und das, obwohl wegen des dicht geknüpften sozialen Netzes die Sozialleistungen als »automatische Stabilisatoren« hierzulande wesentlich stärker die allgemeine Wirtschaftsentwicklung stützen als in anderen Ländern. Das Urteil des IW Köln fällt jedenfalls eindeutig aus: »Deutschland hat trotz seiner starken automatischen Stabilisatoren im internationalen Vergleich eines der größten Konjunkturprogramme aufgelegt.« Und das, obwohl die Regierungsspitze am Anfang strikt dagegen war!
Allerdings muss trotz der beschriebenen Irrungen und Wirrungen zugestanden werden, dass die Bundesregierung das Land damals vergleichsweise gut durch die Krise geführt hat. Wenn man sich in einem chaotischen und historisch beispiellosen Prozess wie der Finanzkrise befindet, gehört zu guter Führung auch die Fähigkeit, einen als falsch erkannten Kurs rechtzeitig zu korrigieren. Das ist jedenfalls besser, als sofort allen Wünschen nachzugeben, die international gerne an Deutschland gerichtet werden. Auch die Eurokrise zeigt letztlich, dass es richtig war, Hilfe an Bedingungen zu knüpfen, obwohl das zu sichtbarem Streit führt. Wenn Deutschland mitreden will und als stärkste Volkswirtschaft der EU die Marschroute vorgeben muss, dann gehört dazu zwingend die Bereitschaft, gelegentlich die Rolle des Buhmanns auszuhalten. Wobei der Ruf nach deutscher Führung immer dann laut wird, wenn es in Wahrheit um deutsches Geld geht.
Bei der Beurteilung des politischen Krisenmanagements darf man bei aller Kritik nicht vergessen, dass die drohende Katastrophe von niemandem erkannt wurde: von den hoch bezahlten Bankmanagern ebenso wenig wie von den Ratingagenturen und dem größten Teil der ökonomischen Wissenschaft. Das soll die Verantwortung der Politik nicht mildern, zumal diese zuvor einer Deregulierung der Finanzmärkte die Hand gereicht hatte. Desgleichen versagte die staatliche Bankenaufsicht, und dafür trägt insbesondere der jeweilige Finanzminister die Verantwortung. Aber ebendieser Finanzminister stellte nach seiner Kurskorrektur binnen Tagen immerhin den 480 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds auf die Beine und hatte in den darauffolgenden Monaten einen erheblichen Anteil daran, dass die globale Finanzarchitektur nicht zusammenbrach. Bis zum letzten Tag seiner Amtszeit hielt Steinbrück im engen Schulterschluss mit Christine Lagarde gegen härtesten britischen Widerstand die Regulierung der Finanzmärkte auf der Tagesordnung der EU und der G-20-Staaten. Und nicht zuletzt wurde der Klartextredner Steinbrück für die verunsicherten Deutschen zum obersten Krisenerklärer – eine Rolle, die mit Blick auf die Eurokrise in der schwarz-gelben Bundesregierung nicht so eindeutig besetzt ist.
»Steinbrück wurde nach einem Stolperstart zum beherzten Krisenmanager der Politik« – dieses Urteil von Handelsblatt -Korrespondentin Donata Riedel trifft es ziemlich gut. Am Ende ist bei Bewertungsfragen nichts erfolgreicher als der Erfolg. Wenn man Steinbrück und Merkel mit Fährleuten vergleicht, dann haben beide das deutsche Boot durch viele gefährliche Strudel und Untiefen gesteuert, ohne dass es gesunken ist. Für sich genommen schon eine Leistung, wenngleich während der wilden Fahrt das eine oder andere Manöver etwas unglücklich wirkte. Heute räumt Steinbrück offen ein, dass er bei dem hektischen Krisenmanagement gelegentlich etwas zu »dünkelhaft« gewesen sei, womit er sich manches erschwert habe. Er weiß in der Rückschau auch nicht zu sagen, ob unbedingt das Krisenmanagement von seiner Amtszeit in Erinnerung bleibt. Er hofft vielmehr, dass es die Schuldenbremse sein wird. »Darauf«, so sagt er, »bin ich stolz.«
Kapitel 11
Wieder ganz unten
D as zweite vorläufige Ende seiner politischen Karriere beginnt für Peer Steinbrück an einem strahlend schönen
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