Steine der Macht 2 - Die Zeitkorridore im Untersberg
vielleicht auch.«
Mit einem schuldbewussten Lächeln quittierte Linda Wolfs Vorwurf. Er nahm ihr die Waffe ab und stellte sie auf dem Fußboden ins Eck.
»Ich glaube, das ist die gleiche Munition, die auch in meiner Glock-Pistole verwendet wird, neun mal neunzehn Millimeter. Davon habe ich zwei Schachteln zu Hause im Safe.«
»Werner dürfen wir das Ding aber auf keinen Fall zeigen. Als Polizist kommt er sonst in einen Gewissenskonflikt. Solche automatischen Kriegswaffen sind in unserem Land absolut verboten, auch wenn man, so wie ich, einen Waffenpass besitzt.«
Linda schaute ängstlich. »Das hättest du mir vorher sagen sollen, dann würde ich die MP vom General gar nicht angenommen haben. Bei mir im Haus bleibt die nicht! Die kannst du gleich wieder mitnehmen und bei dir verstecken.« Wolf zuckte nur mit den Schultern und sagte: »Gut, ich werde die Maschinenpistole auf meine Sauna obendrauf legen. Dort vermutet sie bestimmt kein Mensch.«
Kapitel 20
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Der Deserteur
Der Regen prasselte an die Fenster von Lindas Haus. Es war ungemütlich kalt draußen. Jetzt im Frühling, wo es doch eigentlich schon recht warm sein sollte, war jener Kälteeinbruch für diese Jahreszeit recht außergewöhnlich. Seit Tagen hatte Linda ihre Heizung schon wieder eingeschaltet.
»Weißt du, ich überlege gerade, wie wir das Foto von Kammler an seinen Bestimmungsort bringen könnten.« Wolf hielt das kleine Kuvert mit dem Bild in seiner Hand und drehte es herum.
»Mir fällt da ein Erlebnis aus meiner Jugendzeit ein. Ich war gerade neunzehn Jahre alt und besaß erst kurz den Führerschein. Ein kleines Auto hatte ich damals auch schon. Einen alten Fiat 600. Es war an einem schönen Wochenende im September. Unser Jugendkreis hatte dort am Fuße des Untersberges, in einem Heim direkt im Wald, ein Treffen organisiert. Es gab am Samstagabend einen Filmvortrag. Mein Freund Rudolf und ich wollten am Tag darauf vor dem Mittagsessen mit dem kleinen Wagen die Gegend um das Jugendheim erkunden. Wir fuhren zuerst den Waldweg, welcher zu dem Gebäude führte, entlang, und da es absolut trocken war, versuchten wir, direkt zwischen den großen Bäumen in den Wald hineinzufahren. Es gelang uns auch ganz gut, bis unser Wagen mit einem Vorderrad in einem Fuchsloch stecken blieb. Wir hatten kaum Mühe, den leichten Wagen wieder herauszuschieben. Es war ein herrliches Gefühl, so ohne Weg, mitten im Wald, mit einem Auto unterwegs zu sein. Es duftete nach Harz und Tannennadeln.
Nach kurzer Fahrt kamen wir an einen Bach. Es war eigentlich nur ein flaches, steiniges Bachbett mit sehr wenig Wasser. Wir konnten darin sogar ohne Schwierigkeiten ein Stück fahren, als wir plötzlich nach einer Kurve Leute sahen. Ich hielt den Wagen mitten im Bachbett an. Da dort der Lauf des Gerinnes einen Bogen machte, sammelte sich an dieser Stelle das Wasser und bildete am Rand ein kleines natürliches Becken, in welchem diese Leute Wäsche wuschen. Es waren ein Mann und eine Frau in mittlerem Alter. Ihre Kleidung war aber sehr eigentümlich. Die beiden sahen aus, als wären sie Gestalten aus einem Film über das Mittelalter. Der Mann trug Schuhe, die wie Gamaschen aus Leder zusammengebunden waren, und eine Hose, welche absolut nicht in unsere Zeit zu passen schien. Auch die Frau, welche aus einem geflochtenen Weidenkorb, der neben ihr stand, Wäschestücke nahm und diese im Wasser des Baches zu waschen versuchte, war nicht gekleidet, wie man es bei uns gewohnt war.
›Schau, die Bauern da vorne, die haben heute Waschtag‹, meinte Rudolf.
Welcher Bauer wäscht an einem Sonntagvormittag an einem Bach mitten im Wald Wäsche?, meinte ich damals. Außerdem hat doch heutzutage jeder eine Waschmaschine im Haus. Auch ein Bauer.
Rudolf stutzte und sagte dann: ›Ja, du hast recht, aber was sind das dann für Leute?‹ Fragen wir sie einfach, war meine Antwort. Ich fuhr etwas nach vor und blieb wenige Meter vor den zweien stehen. Rudolf und ich stiegen aus dem Auto. Auf unser ›Grüß Gott‹ wurde der Gruß in einem ans Schwäbische erinnernden Dialekt erwidert. Die beiden sahen sich an, als hätten sie Geister gesehen.
›Wo kommt Ihr denn her?‹, fragte der Mann etwas zögerlich. Ich deutete kurzerhand zurück nach oben zu den Höhen des Untersbergmassives und sagte spaßhalber: Von dort oben! Der Mann schaute entsetzt auf die Frau neben ihm, welche vor Schreck ein Stück Wäsche ins Wasser fallen ließ.
Wo geht es hier nach Salzburg?, fragte ich, nur um
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