Steine der Macht - Band 4
aus einem kleinen Festzelt zu kommen schien, welches sich am Waldrand vor ihnen befand. Hier gab es sicher etwas zu trinken, dachte Georg und beschleunigte seine Schritte. Ein kühles Bier würde ihm jetzt wahrlich guttun.
„Du kannst ruhig in das Zelt hineingehen“, ermahnte ihn sein Begleiter, „aber in einer Stunde musst du wieder zurück sein. Sonst verlierst du zu viel Zeit!“
Georg achtete aber kaum auf die Worte des Fremden und begab sich ins Festzelt. Dort setzte er sich an einen Tisch und von drallen Kellnerinnen wurde ihm ein Krug Bier nach dem anderen serviert. So hatte er es gerne. Dabei übersah er freilich die Zeit, welche wie im Fluge vergangen war. Georg schaute erschrocken auf seine Armbanduhr. Es waren bereits mehr als drei Stunden verstrichen. Rasch stand er auf und wollte sich auf den Heimweg machen. Er suchte nach seinem Begleiter, doch da war keine Spur mehr von dem Fremden. Er ging zurück auf die Wiese, von der sie gekommen waren, doch da war auch kein Eingang in den Berg mehr zu sehen. Die fünf Krüge Bier, die er im Zelt getrunken hatte, zeigten zudem jetzt ihre Wirkung. Er wurde müde. Georg setzte sich verzweifelt ins Gras. Es begann allmählich dämmrig zu werden.
Er haderte mit sich selbst. Weshalb hatte er nicht auf die Warnung des Mannes gehört, der ihn hierher gebracht hatte? Schließlich übermannte ihn eine bleierne Müdigkeit und er schlief auf der Wiese ein.
Ein leises Zirpen weckte Georg. Er setzte sich auf und rieb sich die Augen.
Er befand sich wieder auf der Wiese vor den hohen Legföhren. Wahrscheinlich war er eingeschlafen und hatte das alles nur geträumt. Geträumt von einem alten Jäger, der ihn durch einen verborgenen Gang zu einer Wiese mit einem Festzelt geführt hatte. Dort war das Bier in Strömen geflossen und er konnte trinken, soviel er wollte. Ja freilich musste das alles ein Traum gewesen sein. Er rieb sich seine Augen erneut und beschloss, sein Vorhaben, auf das Plateau zu steigen, aufzugeben und wieder hinunter ins Tal zu gehen.
Nach geraumer Zeit kam er unten an der Straße an. Doch da waren weder sein Wagen noch das Gasthaus, neben dem er sein Auto geparkt hatte, zu sehen.
Zu Fuß machte er sich zum nächsten Dorf auf, doch auch hier sah alles ganz anders aus, als er es in Erinnerung hatte.
Als er nach einem langen Fußmarsch schließlich wieder in sein Dorf kam, konnte er sein Haus nicht mehr finden. Er begab sich zum Gemeindeamt. Auch das sah jetzt völlig anders aus. Auf seine Fragen wurde ihm nur mitgeteilt, dass ein gewisser Georg vor langer Zeit am Untersberg verschollen war und nie wieder aufgetaucht sei. Auch eine groß angelegte Suchaktion, welche damals gestartet wurde, hatte keinen Erfolg.
Wann denn das alles geschehen sei, wollte er wissen. Die Antwort war niederschmetternd. „Das passierte vor dreiundzwanzig Jahren, im Sommer des Jahres 2012.
Er wurde schließlich für tot erklärt. Seine Frau hatte nach einigen Jahren wieder geheiratet und war mit ihrer Tochter von hier weggezogen. Nachdem seine Eltern gestorben waren, erbte seine Schwester Georgs ehemaliges Haus.“
Sein Haus, sein Job, seine Frau, das alles gab es nicht mehr für ihn. Jetzt wurde ihm bewusst, dass er alles verloren hatte. Er bekam glasige Augen und fing an zu weinen.
Kapitel 1
***
San Borondon
Ein kühler Wind von Nordwesten ließ die weit ausladenden Blätter der Palmen, die den Rand des kleinen Flugplatzes von El Berriel säumten, erzittern. Wolf startete den Motor des Flugzeuges. Die kleine Piper rollte zur Startbahn hinaus. Auch diesmal war Raiko sein Copilot und bediente wie immer das Funkgerät. Am Beginn der Rollbahn hielt Wolf die Maschine an und checkte nochmals die Instrumente. Nachdem er die Startfreigabe erhalten hatte, schob er den Gashebel zügig nach vorne, der Motor heulte auf, die Piper rollte los und schon nach knapp zweihundert Metern hob das Flugzeug von der schmalen Asphaltpiste ab. Nachdem sie eine Höhe von eintausend Fuß erreicht hatten, ging es nun wieder zurück in Richtung Südspitze von Gran Canaria. Tief unter ihnen lagen die Dünen von Maspalomas und wie Ameisen tummelten sich schon jetzt, am frühen Vormittag, unzählige Touristen am Strand.
Wolf hatte kaum Augen für die ihm so wohlbekannte Gegend. Er war in Gedanken mit der Frage beschäftigt, ob sie auch heute die geheimnisumwobene Insel San Borondon wieder sehen würden. Im Vorjahr hatten sie ja dieses Eiland hinter einer Nebelbank entdeckt. Wolf wusste, dass die
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