Steine der Macht - Band 4
das wirklich die Vergangenheit sein? Es sieht doch alles genau so aus, wie es eben ist.“
„Das ist ganz klar“, meinte Weber, „hier am See und an den Felswänden wurde auch absolut nichts verändert. Das wird vermutlich in hundert Jahren auch noch so aussehen wie heute.“
„Wonach suchen wir dann eigentlich?“, fragte Claudia und drehte fleißig an den beiden Knöpfen herum.
„Nach Eingängen in diese große Felswand hier auf der rechten Seite. Die sollen jedoch unter der Wasseroberfläche liegen“, antwortete ihr Wolf, „so hat es mir jedenfalls unser Freund, der Apollo, geschrieben.“
„Und wie möchtest du mit diesem klobigen Ding unter Wasser sehen können?“, wollte Claudia wissen.
„Nein, nicht unter Wasser, aber für diese Arbeiten hat man doch sicher schwimmende Plattformen verwendet, von denen aus Taucher einige Meter unter der Wasseroberfläche die Eingänge in die Felswand trieben.“
Claudia ließ es bei dieser Antwort bewenden, ohne das Chronoskop abzusetzen. Plötzlich sagte sie: „Ich glaube, mit dem Ding ist irgendetwas nicht in Ordnung. Da kommt gerade ein Volkswagen auf uns zu. Ich kann ihn ganz genau erkennen, obwohl es Nacht sein dürfte. Man sieht sogar das Kennzeichen. BGD … und zum Schluss die Zahl 55. Er hat nur wenig Licht eingeschaltet. Jetzt schleudert der Wagen und dreht sich. Ich sehe ihn von hinten, er hat noch das kleine Heckfenster. Mein Opa hat auch so einen Wagen gehabt. Der müsste meiner Meinung nach aus den Fünfzigerjahren stammen.“
„Das klingt gut“, freute sich Wolf, „dann wissen wir jetzt, auf welche Zeit du das Chronoskop eingestellt hast, und brauchen nicht so viele Winter zurückzuzählen.“
Weber schaute Wolf an und wunderte sich: „Aber wie kommt es, dass Claudia hier auf dem See ein Auto sieht?“ Wolf erklärte schmunzelnd: „Das ist früher gar nicht so selten gewesen. Wenn der See in sehr kalten Wintern zugefroren war, konnte man ihn ohne Weiteres mit Autos überqueren. So etwas muss Claudia gerade gesehen haben.“
„Jetzt ist der Wagen direkt vor uns an der Felswand verschwunden, es hat so ausgesehen, als wäre er vom See verschluckt worden“, stotterte sie aufgeregt. Wolf nahm das Chronoskop und schaute sich selber die Stelle an, an welcher Claudia den Wagen zuletzt gesehen hatte. Er drehte den Feinregler vorsichtig etwas zurück und erblickte nun ebenfalls den Volkswagen, der sich schleudernd um die eigene Achse bewegte und auf die Felswand zufuhr. Es sah so aus, als wäre der See einige Meter vor der Wand nicht zugefroren, denn das Auto schlitterte direkt ins Wasser und versank binnen Sekunden darin. Wolf setzte das Gerät ab und gab es Weber in die Hand:
„Wir sind soeben Zeugen eines Unfalls geworden, der sich vor über fünfzig Jahren hier zugetragen haben dürfte. Wir können es aber niemandem erzählen. Wer würde es uns schon glauben, dass wir mit dem Chronoskop in die Vergangenheit schauen konnten.“
Langsam drehte Weber den groben Regler um einige Jahre zurück und tatsächlich konnten sie dann drei große Plattformen an der Felswand sehen. Darauf standen schwere Kompressoren, deren Schläuche ins Wasser hingen. Wahrscheinlich arbeiteten dort unten Taucher. Es war also etwas Wahres an der Geschichte von Apollo dran. Aber es war auch anzunehmen, dass diese Eingänge kaum Türen haben durften und sich auch nicht sehr tief unter Wasser befinden würden.
„Da kannst du endlich einmal wieder deine Taucherbrille und deine Pressluftflaschen einsetzen“, stieß Claudia Wolf lachend in die Seite, „die verwendest du ja in den letzten fünf Jahren ohnehin nur zum Putzen deines Schwimmbeckens.“
„Ja, du hast recht“, antwortete Wolf, „wenn du willst, kannst du mitkommen, ich habe zwei komplette Tauchausrüstungen zu Hause liegen. Du bist doch ausgebildete Rettungsschwimmerin und zum Tauchen sollte man ohnehin immer zu zweit sein.“
Da winkte wieder einmal ein Abenteuer und Claudia freute sich schon darauf. „Gerne, wenn du mich mitnimmst. Ich bin dabei.“
„Aber vergesst nicht, dieses Gewässer ist kein Badesee, zumindest was die Wassertemperatur betrifft“, sagte Weber, der die Unterhaltung der beiden mit angehört hatte und prüfend seine rechte Hand ins Wasser hielt.
„Ich werd mich halt warm anziehen müssen“, lachte Claudia, „aber er“, und sie deutete auf Wolf, „hat doch genug Isolierung, dem wird sicher nicht kalt.“ Sie spielte damit sarkastisch auf Wolfs Fülle an, was dieser aber
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