Steine der Macht - Band 5
einmal aus Ihrem Glaskasten heraus und halten Sie diese mit beiden Händen, so wie den schwarzen Stein damals im Tempel von Karnak. Vielleicht erhalten Sie dann auf irgendeine Art Informationen, die Sie weiterbringen.“
„Das werde ich“, versprach Wolf. Er bedankte sich noch beim Illuminaten und machte sich auf den Heimweg.
Unterwegs dachte er noch über diese kleine Bronzefigur nach. Sein Großvater, der auch die ungarische Sprache beherrschte, kam in den ersten Nachkriegsjahren in Kontakt mit einem Alteisenhändler, welcher aus Ungarn stammte. Dieser Mann hatte, da er kein Deutscher war, von der amerikanischen Besatzungsbehörde am Obersalzberg die Genehmigung erhalten, in den gesprengten Domizilen der Nazigrößen nach Altmetall zu suchen und dieses zu behalten. Eines Tages fand Szabo, so hieß der Ungar, in den Trümmern des Berghofes von Hitler eine Bronzestatue. Ein schweres Betonteil hatte ihren rechten Fuß oberhalb des Knöchels ganz leicht geknickt, was aber auf den ersten Blick gar nicht zu sehen war und der Anmut dieser Figur keinen Abbruch tat.
Dieser Szabo hatte jedoch seine Frau und seine Kinder in Ungarn, von wo aus diese nicht nach Deutschland oder Österreich ausreisen konnten. Zwischen Ungarn und Österreich gab es damals den Eisernen Vorhang und eine Flucht in den Westen war zu dieser Zeit so gut wie unmöglich. Szabo hatte daraufhin den Beschluss gefasst, selbst wieder nach Ungarn zurückzukehren, was aber ebenso nicht möglich schien. Über diesen Umstand, welcher ihn sehr bedrückte, sprach er oft mit Wolfs Großvater.
Der hatte eine Idee, wie er dem Mann helfen könnte.
„Ich kenne da einen Lokführer in der Nähe von Wien, der schuldet mir noch einen Gefallen. Ich habe ihm in den letzten Kriegstagen in einem Wagen der deutschen Wehrmacht zur Flucht aus der Tschechoslowakei verholfen. Vielleicht kann uns der Mann jetzt auch behilflich sein.“
„Wie soll das vonstattengehen?“, fragte Szabo.
„Der Lokführer fährt mit seiner Dampflok die Strecke an der ungarischen Grenze entlang und die führt durchs sogenannte Niemandsland. Dort ist auch kein Grenzzaun. Ich könnte ihn ersuchen, an dieser Stelle besonders langsam zu fahren, und Sie müssten dann vom fahrenden Zug springen und wären somit in Ungarn.“
Szabo schaute zwar etwas skeptisch, sah es aber dann sehr wohl als einzige Möglichkeit an, wieder zurück zu den seinen zu gelangen.
„Ich werde natürlich hier alles aufgeben müssen, was ich habe. Ein bisschen Geld wird mir schon übrig bleiben, aber Ihnen gebe ich zum Dank diese Bronzefigur, welche in den Ruinen des Hitlerhauses verschüttet war. Ich habe bisher noch niemandem davon erzählt. Wer weiß, vielleicht wäre sie mir dann weggenommen worden.“
Mit diesen Worten überreichte er Wolfs Großvater die in einem Tuch eingewickelte Statue und fügte hinzu: „Hier haben Sie sozusagen ein Andenken an Hitler. Ich weiß zwar nicht, wie Sie dazu stehen, aber ich nehme an, dass diese Figur in einigen Jahren sicher einen beträchtlichen Wert darstellen könnte.“
Freilich hatte Wolfs Großvater keine besondere Sympathie für den ehemaligen Führer des Deutschen Reiches. Wegen ihm und dem verlorenen Krieg musste er ja schließlich mit seiner Frau und den Kindern sein kleines Häuschen in Bratislava verlassen, um nicht von den Tschechen totgeschlagen zu werden. Zu groß war der Volkszorn auf die deutsche Minderheit, zu der sie gehörten. Viele seiner Freunde fielen dem grausamen Wüten des tschechischen Pöbels zum Opfer. Natürlich wurden die Täter nie bestraft. Auch für sein Haus bekam der Großvater später keine Entschädigung. Die Schuldigen waren doch, so wie auch heute noch, nur die Angehörigen des deutschen Volkes.
Dem Großvater kam es nicht auf eine Gegenleistung des Ungarn an. Er wollte ihm einfach nur helfen, freute sich aber natürlich trotzdem über dieses seltene Geschenk.
Der Lokführer war nach einigen Briefen bereit, dem Wunsch von Wolfs Großvater nachzukommen. Es dauerte dann noch einige Monate, bis Szabo alles, was er sich hier in Deutschland geschaffen hatte, verkaufen konnte, und mit einer doch ganz netten Summe Bargeldes machte er sich auf den Weg nach Wien, wo er sich mit dem Lokführer traf. Dieser erklärte ihm, wie alles ablaufen würde, und so geschah es dann auch. Szabo wurde in einen Dienstwaggon am Ende des Zuges, in dem sich niemand außer ihm befand, gesetzt. Er war aufgeregt und beugte sich öfters aus dem Fenster, um ja die
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