Steine der Macht - Band 5
Stelle nicht zu verpassen, an der er abspringen sollte. Der beißende Rauch der Dampflokomotive und kleine, heiße Rußpartikel fuhren ihm ins Gesicht. Dann war es soweit. Der Zug verringerte auf einmal seine Geschwindigkeit und fuhr schließlich ganz langsam. Szabo stand bereits draußen. Er hatte seinen Rucksack umgeschnallt und sprang vom Trittbrett. Ohne hinzufallen gelang ihm der Absprung vom fahrenden Zug. Jetzt waren es nur noch wenige Meter bis nach Ungarn. Der Lokführer schaute ihm nach, als er über die Wiesen lief, und die Lokomotive nahm wieder Fahrt auf.
Nach vier Wochen erhielt Wolfs Großvater einen Brief aus Ungarn, in dem sich Szabo bei ihm nochmals bedankte. Er war wieder glücklich bei seiner Familie.
Der Großvater wickelte die Bronzefigur aus dem Haus von Hitler aus ihrem Tuch und betrachtete sie. Er würde einen passenden Stein als Sockel dafür suchen.
Als Wolf zu Hause angekommen war, ging er als Erstes zur Glasvitrine, in welcher das besagte Erbstück von seinem Großvater stand, und nahm die Bronzefigur fast ehrfürchtig heraus. Er hielt sie mit beiden Händen, so, wie es Becker ihm gesagt hatte, und wartete auf neue Eindrücke. Vielleicht war er zu aufgeregt, aber es kamen nur wirre Bilder, von denen er glaubte, dass sie in seiner Fantasie entstanden seien. Er würde es zu einem späteren Zeitpunkt in Ruhe noch einmal versuchen.
Kapitel 23 – Im Schoß von Mutter Erde
Beim Aufräumen seines Kellers entdeckte Wolf einen alten Spirituskocher, der mit Würfeln von Trockenspiritus beheizt wurde. Es war ein recht kleines Teil, welches etwas zehn mal zehn Zentimeter maß. Er musste eine Weile nachdenken, woher das Ding stammen könnte, und hielt den Kocher mit beiden Händen. Plötzlich sah er vor seinem geistigen Auge eine Höhle, hoch oben auf einem Berg, und darin befand sich ein kleiner Junge von etwa sieben Jahren. Der Bub bereitete sich in der Höhle auf diesem Kocher Kaffee zu. Der Junge war er selbst, wie er unschwer erkennen konnte. Jetzt fiel ihm die ganze Geschichte wieder ein.
Im Alter von fünf Jahren hatten seine Eltern mit ihm eine Bergwanderung gemacht. Der Weg führte durch einen Wald an einer alten Ruine eines Wehrturmes vorbei und ganz in deren Nähe sah Wolf das erste Mal in seinem Leben den Eingang zu einer Höhle. Er dachte, dass dort vielleicht Schätze verborgen wären, und wollte schon hineinlaufen, aber sein Vater verbot es ihm. Das Interesse für das Geheimnisvolle war aber in Wolf geweckt worden. Lange Zeit trug er sich mit dem Gedanken, wieder zu dieser Höhle aufzusteigen, aber erst nach zwei Jahren, als er bereits zur Schule ging, konnte er diesen Plan verwirklichen. Er wollte ganz allein in diese Höhle gehen. Angst hatte er keine.
Eine kleine Batterie-Taschenlampe, ein paar Christbaumkerzen aus Mutters Schrank und Streichhölzer aus der Küchenlade packte er in eine altmodische Handtasche, welche ihm seine Tante einmal geschenkt hatte. Dann fand er noch zufällig in Vaters Werkzeugkiste diesen Trockenspirituskocher mit einigen Würfeln Brennstoff. Auch dieser wanderte in die doch geräumige Damenhandtasche. Eine kleine Wasserflasche und etwas gemahlener Kaffee sowie ein paar Zuckerwürfel fanden auch noch Platz in der Tasche.
Mit dieser Ausrüstung machte sich der kleine Wolf eines schönen Tages auf den Weg.
Zuerst musste er zu Fuß in die Stadt gehen, um in den dahinter steil ansteigenden Bergwald zu gelangen. Nach über einer Stunde Gehzeit erreichte er den Bergkamm mit der Ruine des Wehrturmes. Er war stolz auf sich, es ganz allein bis hierher geschafft zu haben. Das viele Jahrhunderte alte, hohe Gemäuer mit seinen Fensteröffnungen ließ in seiner Fantasie die alten Raubritter, die angeblich einst hier gehaust hatten, wieder auferstehen. Vielleicht hatten diese damals ihre Schätze wirklich in der Höhle versteckt, die gleich daneben zu sehen war.
Nachdem er sich die Überreste des alten Wehrturmes ausgiebig angesehen hatte, ging Wolf zurück zum Eingang der Höhle. Er stieg über größere Felsstücke hinunter und schon bald war es so dunkel, dass er die Batterielampe aus der Tasche holen musste. Nur noch spärlich schien das Tageslicht, welches zwischen den Fichten des Waldes hindurchkam, in die Höhle hinein. Im hinteren Bereich wurde es dann enger. Wolf musste sich durch eine sehr schmale Felskluft zwängen, hinter der sich die Höhle wieder erweiterte. Hoch oben an der Decke sah er eine kleine Öffnung, durch welche ebenfalls wieder etwas
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