Steine der Macht - Band 5
Licht hereinfiel. Jetzt konnte er auf der rechten Seite tief in einen Spalt hinunterblicken, der ihm dann doch ein wenig Furcht einflößte. Würde er da hinunterrutschen, gäbe es keine Möglichkeit mehr, wieder hinaufzukommen. Und außerdem wusste ja niemand, wohin er gegangen war.
Er hatte seiner Mutter zwar gesagt, dass er heute auf den Berg zum Höhlenforschen gehen würde, diese hatte das aber nur mit einem müden Lächeln als kindliche Fantasie abgetan.
Er kehrte wieder um und gelangte durch die Kluft zurück in den ersten Teil der Höhle. Wolf hatte Durst und wollte gerade die Wasserflasche aus der Tasche nehmen, als es fürchterlich zu donnern begann. Die Felsen um ihn herum schienen zu erzittern. Draußen musste ein schweres Gewitter aufgezogen sein. Schon bald erhellten zuckende Blitze das Innere der Höhle und tauchten deren Wände für Sekundenbruchteile in ein schauriges Licht. Wolf wusste von seinem Großvater, dass es bei einem Gewitter im Bergwald sehr gefährlich sein konnte, und beschloss daher, in der Höhle abzuwarten, bis es vorüber war. Mittlerweile hatte es draußen auch heftig zu regnen begonnen und an ein Nachhausegehen war im Moment sowieso nicht zu denken.
Wolf zündete eine der Christbaumkerzen an und begann, den kleinen Kocher aufzuklappen. Ein passender Stein für eine ebene Unterlage war rasch gefunden.
Den Aluminiumbecher, der auch in der Schachtel war, füllte er mit Wasser und zündete den Brennwürfel an. Schon nach kurzer Zeit kochte es und Dampf stieg aus dem Becher auf. Wolf schüttete den mitgebrachten Kaffee hinein. Da er keinen Löffel zum Umrühren von zu Hause mitgenommen hatte, holte er sich dafür ein kleines Aststück, welches der Wind in den Höhleneingang geweht hatte.
Dann kamen noch zwei Zuckerwürfel in die Brühe.
Es war zwar kein besonderer Genuss, da ihm der gemahlene Kaffee zwischen den Zähnen kleben blieb, aber es war für ihn der erste Kaffee seines Lebens, den er selbst zubereitet hatte – und das noch dazu in einer Höhle, hoch oben am Berg. Er zündete noch eine Kerze an. In diesem warmen, flackernden Licht sah es jetzt sehr heimelig aus, während von draußen immer noch der grollende Donner des abziehenden Gewitters zu hören war. Wolf hatte überhaupt keine Angst, ja, er fühlte sich sogar geborgen, tief im Bauch von Mutter Erde. Als wenn er beschützt wäre, so kam es ihm vor.
Nachdem er ausgetrunken hatte, spülte er sich mit dem in der Flasche verbliebenen Wasser den Mund aus, um so die Reste des Kaffees aus den Zähnen zu bekommen.
Die Weihnachtskerzen waren nun beinahe abgebrannt und der Kocher war wieder ausgekühlt und konnte zusammengeklappt werden. Wolf packte alles wieder in seine Tasche und ging zum Eingang zurück. Tatsächlich hatte es mittlerweile zu regnen aufgehört und er konnte sich auf den Heimweg machen. Der Waldboden war vom Regen noch nass und im Steilstück musste er sehr vorsichtig sein, um nicht auszurutschen. Nach einer guten Stunde erreichte er wieder die elterliche Wohnung, wo ihn seine Mutter schon erwartete. Als er auf ihre Frage, wo er denn so lange gewesen sei, die Wahrheit sagte, nämlich dass er sich in einer Höhle am Berg bei der Ruine einen Kaffee gemacht hätte, lachte die Mutter nur und nahm ihn nicht ernst.
Dieses Erlebnis sollte aber den damals jungen Wolf für sein weiteres Leben prägen.
Er ließ den alten Spirituskocher wieder sinken und legte ihn zurück in die Schachtel, aus der er ihn genommen hatte.
Jetzt verstand er, was Becker damit gemeint hatte, dass er gewisse Dinge nur mit beiden Händen angreifen müsse, um deren Botschaft zu erfassen. Vielleicht stammte der Ausdruck „etwas begreifen“ von daher. Ähnliches hatte er ja bereits auch bei den Rosenkreuzern gehört. Er würde es nun auch mit seinen anderen Artefakten versuchen. Vielleicht stieß er dabei auf interessante Informationen.
Kapitel 24 – Die römische Siedlung
Als er danach zur Glasvitrine ging, um die Bronzefigur von Hitlers Berghof herauszunehmen, wanderte sein Blick nach rechts, wo er seine römischen Fundstücke aufbewahrte. Diese Sachen hatte er im Alter von fünfzehn Jahren im heutigen Kroatien entdeckt. Da waren Mosaiksteine in verschiedenen Farben und Tonscherben sowie blaue, durchbohrte Glasperlen, welche er zusammen mit seinem Freund am Gestade einer einsamen Halbinsel weitab von den Zeltplätzen aufgelesen hatte. Er dachte zurück an die Zeit der Campingurlaube, welche die beiden Freunde mit ihren Eltern dort
Weitere Kostenlose Bücher