Steine der Macht (German Edition)
Zeitphänomen gefragt hatten. Über das Kennzeichen des Fahrzeuges konnte ich den Namen des Halters ermitteln. Es war tatsächlich, wie sich herausstellte, jener Informatiker, mit dem ich damals am Berg gesprochen hatte und welcher seit Jahren dem ‚Zeitsprung‘ am Untersberg nachging und dieses erforschen wollte.
In einem der darauf folgenden Sommer wollte ich dann ebenfalls dieses Phänomen ergründen. Ich nahm meine damals sechzehnjährige Tochter Sabine mit und wir machten deshalb einen kleinen Ausflug am Fuße des Untersberges. Um auf einfache Weise zu kontrollieren, ob eine Zeitverschiebung existieren sollte, stellten wir einige Tage vorher die Sekundenzeiger unserer Uhren genau gleich ein und verglichen diese immer wieder. Es waren so gut wie keine Differenzen festzustellen. Sollte bei einem von uns beiden die Zeit rascher oder lang-samer vergehen, so könnten wir dies an kleinsten Abweichungen unserer Uhren erkennen. An einem schönen Sommertag stiegen wir also durch den Bergwald über steile Wiesen und Gebüsche einige hundert Meter den Berg empor und gingen immer im Abstand von etwa zehn bis zwanzig Meter durch das unwegsame Gelände. Wir kamen an einen alten, überwachsenen Weg und kurz danach an eine verfallene Schienenstrecke in einer Schlucht. Den Gleisen folgend, erreichten wir nach einiger Zeit einen alten, verlassenen Steinbruch, der wohl seit vielen Jahrzehnten nicht mehr in Betrieb war. Zwischen großen Marmorblöcken wucherten Gras und Gebüsche. Wir stiegen weiter den Berg empor.
Plötzlich war Sabine nicht mehr da. Ich rief viele Male laut ihren Namen, suchte nach ihr und konnte sie aber nirgendwo finden. Nach ungefähr zwei Minuten stand sie nur wenige Meter neben mir und fragte erstaunt, warum ich so laut rufe. Sie hatte mich jedoch nur ein einziges Mal rufen gehört. Außerdem sagte sie, sie hätte mich höchstens nur ein paar Sekunden lange aus den Augen verloren. Ein sofortiger Vergleich unserer Uhren zeigte eine Abweichung von fast zwei Minuten!
Es musste also wirklich eine Zeitverschiebung dort oben geben.
Da fiel mir wieder der Vorfall mit den vier Deutschen ein und ich beschloss, der Sache nun auf den Grund zu gehen. Über das Einwohnermeldeamt konnte ich die Adresse des Deutschen ausfindig machen. Ich fuhr dann einfach nach München und besuchte den Informatiker. Ich erinnerte ihn an unser erstes Treffen vor vielen Jahren in der Schutzhütte am Untersberg und auch von meinem Erlebnis oberhalb des alten Steinbruchs mit meiner Tochter Sabine. Der Mann wollte anfangs nicht darüber sprechen und meinte, alles wäre so gewesen, wie es in der Illustrierten zu lesen war. Damit gab ich mich aber nicht zufrieden und sagte ihm, dass ich weiterforschen wolle. Er sah mich prüfend an und erzählte mir dann seine Geschichte, welche sich dann etwas anders anhörte als vor vielen Jahren in den Zeitungen:
‚Damals, am 15. August, es war nebelig und regnerisch. Es war kein guter Tag für eine Bergwanderung. Doch wir hatten uns eben dieses Datum, den 15. August, für diese Tour ausgesucht. Denn nach den Überlieferungen sollten sich die Zeitphänomene gerade an diesem Tag besonders leicht zeigen. Wir standen recht früh auf und fuhren schon um sieben Uhr vom Campingplatz weg. Wir kamen dann so gegen halb acht am sogenannten Rositten Parkplatz am Fuße des Berges an. Noch etwas müde stiegen wir den rechten der beiden steilen Wege, den «Reitsteig», hinauf, gingen aber nur einige hundert Meter, um dann auf einem alten Jägersteig nach Westen weiterzugehen. Das Wetter war, wie bereits gesagt, nicht besonders gut und es nieselte leicht. So beschlossen wir, bei einem Felsüberhang Schutz vor dem Regen zu suchen und uns mit einer Jause zu stärken. Als wir nach einer guten halben Stunde wieder weitergehen wollten, wurde uns plötzlich recht kalt und wir meinten, dass eben ein kühler Wind durch den Wald ziehe. So beschlossen wir, wieder zurück zum Fahrzeug zu gehen. Als wir vom Nadelwald in den Mischwald kamen, fiel uns auf, dass kaum Blätter an den Bäumen waren und viel braunes Laub am Boden lag. Auch waren keine Wanderer auf dem Steig unterwegs. Alles war irgendwie anders. Am Parkplatz angekommen, sahen wir entsetzt, dass unser Wagen nicht mehr da war. War das Auto vielleicht gestohlen worden? Uns überkam eine schreckliche Ahnung. Wir gingen etwa einen Kilometer auf der Straße in Richtung der Stadt Salzburg und nahmen an einer Kreuzung eine Tageszeitung aus einem Ständer. Unser Schreck war
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