Steine der Macht (German Edition)
Tee zu trinken. Raghab, wie der Fischer hieß, verstand kein Wort Englisch oder Deutsch und so musste Osama den Dolmetscher machen. Sie saßen alle auf einem Teppich am gestampften Lehmboden des Hauses und tranken ein Glas Pfefferminztee. Am Vormittag war Raghab zum Fischen an das Meer gegangen, dort warf er, bis zum Bauch im Wasser stehend, sein Netz aus und holte es nach einiger Zeit wieder ein. Nach ein paar Stunden hatte er auf diese Art neun kleine Fische gefangen. Es war ein guter Tag für ihn und er pries Allah. Jetzt im Winter war es schwierig, überhaupt etwas zu fangen. Die Fische kamen zu dieser Jahreszeit nur selten nahe an das Ufer, aber für heute, so sagte er, hatte er genug gefangen. Wolf und Sabine waren schockiert von der Armut, in der Raghab mit seiner Familie lebte, und der dennoch eine zufriedene Heiterkeit ausstrahlte.
Er wollte den beiden noch etwas Schönes in der näheren Umgebung zeigen, sagte er zu Osama.
Sie standen auf und fuhren mit dem Wagen in ein Bergtal, wohin selbst Osama noch nie gekommen war. Von einem Weg war schon lange keine Rede mehr, es waren nur noch vereinzelt Reifenspuren zu sehen. Eine karge Gegend und doch von einer bizarren, schroffen Schönheit geprägt, ragten die Berggipfel ringsum empor. Nach einer Weile deutete Raghab auf ein schmales, steil ansteigendes Seitental, dorthin müssten sie. Osama ließ den Wagen neben der Schotterpiste stehen und alle vier gingen den felsigen Weg hinauf. Nach kurzer Zeit schon standen sie vor einem kleinen Naturwunder.
Aus einem Spalt im Gestein kam ein Rinnsal Wasser heraus und sammelte sich in einem natürlichen Becken, das von einem leicht ausgehöhlten Felsen gebildet wurde. Raghab beugte sich hinunter und trank daraus, um zu zeigen, dass es sich um sauberes Wasser handelte.
Merkwürdig war, wo dieses Wasser herkam. Die Berge ringsum waren nicht sehr hoch und Regen gab es dort nur höchstens einmal im Jahr, und dann nur ein paar Tropfen für wenige Minuten.
Einen richtigen Regen sollte es nach Raghabs Angaben nur alle fünfzehn bis zwanzig Jahre geben. Dann würde es sogar einige Stunden richtig herunterprasseln. Er selbst hatte so etwas auch erst einmal in seinem Leben gesehen. Aber dann, so erzählte er, würde es wirklich gefährlich werden in den Wadis. Da aufgrund der jahrelangen Trockenheit das Wasser nicht so schnell im Boden versickern kann, würden die Bergtäler zu Todesfallen für Mensch und Tier. Wer sich bei so einem Ereignis nicht rasch genug in Sicherheit bringen konnte, würde von den Wassermassen einfach mitgerissen und kam meistens im knietiefen, reißenden Wasser ums Leben.
Raghab versuchte ihnen über ihren Dolmetscher Osama zu erklären, dass das Wasser, welches hier aus den Felsen kam, aus dem tiefer liegenden Talgrund nach oben gepresst wurde.
Ein artesischer Brunnen also, bei dem das Grundwasser unter Druck an die Oberfläche gelangt. Die Beduinen nannten die Quelle eine Träne Allahs und betrachteten sie als Wunder.
Kapitel XIV – Kairo/DAF
Der Chef des DAF, der deutschen archäologischen Forschungsstelle in Kairo, Dr. Robert Hüttmann, hatte gerade eine Unterredung mit seinem Mitarbeiter Clemens Müller.
Dieser leitete schon seit Langem die Ausgrabungen und Forschungen des DAF in Oberägypten. Müller sollte von Luxor aus zwei Gruppen Archäologen mit Allradfahrzeugen in die Felswüste zwischen den Städten Safaga und Quseir begleiten. Berichten von Beduinen zufolge, sollte dort in den Bergen ein Schacht oder ein Grabeingang entdeckt worden sein. Hüttmann gab Müller noch einige Instruktionen, es wurde nämlich vermutet, dass auch Said Hamam, der ägyptische Staatsarchäologe, seine Leute in dieses Gebiet entsandt hatte, um den Berichten der Bergbewohner nachzugehen. Hüttmann wollte aber, dass seine Archäologen als Erste dort eintreffen würden. Sollte an dieser Geschichte wirklich etwas dran sein, wäre es eine Sensation. Es wurde erzählt, dass dort an der Fundstelle Personen verschwunden seien. Vielleicht waren das, wie so oft, übertriebene Darstellungen der Ägypter, die ja sehr gerne Ereignisse massiv auszuschmücken pflegten. Aber immerhin, es gab uralte Aufzeichnungen über dieses Gebiet, von dem die Beduinen-Berichte stammten. Waren doch vor einigen Jahren in den Hallen unter der Sphinx und auch in dem der Öffentlichkeit nicht bekannten Gang über der großen Galerie in der Cheops-Pyramide Papyri gefunden worden. Es war darin von „schwarzen Steinen“ die
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