Steine der Macht (German Edition)
Tage, bis die Straße wieder befahrbar war.
Fest in warme Winterkleidung eingemummt, stapften die beiden eine Woche später wieder durch den Wald. Es war dieses Mal schon etwas mühsamer, denn es lag bereits fast ein halber Meter Schnee. Beim Gewölbe angelangt, konnte Wolf es fast nicht glauben, was er dort sah. Das im Mai freigelegte Stück der -Betonplatte war auch dieses Mal völlig schneefrei und trocken. Das Thermometer zeigte an der Oberfläche des Betons eine Temperatur von plus sieben Grad an, während die Baumstämme daneben nur maximal zwei Grad anzeigten. Die Lufttemperatur im Wald war ohnehin unter dem Gefrierpunkt.
Jetzt versuchte es Wolf mit seinem Magnetfeldmessgerät. Auch dieses lieferte an der Platte Werte, welche eindeutig von denen der Umgebung abweichend waren. Aber die größte Überraschung gab es, als Wolf den Geigerzähler in Position brachte. Der gemessene Strahlungswert am Beton übertraf die Normalwerte um ein Vielfaches und war schon fast an einer für Menschen gefährlichen Grenze angelangt.
„Sollen wir den General fragen, ob er dazu etwas sagen kann, vielleicht weiß der etwas darüber?“, fragte Linda, der die Sache nun ebenfalls nicht mehr ganz geheuer erschien. „Der schläft jetzt“, meinte Wolf, „den erreichen wir frühestens in drei Monaten wieder, und ich glaube auch nicht, dass er viel über den Zweck dieses unterirdischen Gewölbes weiß.“
„Du meinst, er hält gerade Wintersschlaf wie ein Bär in seiner Höhle?“, machte Linda einen Spaß und lachte dabei herzhaft.
„Nein, dadurch, dass die Zeit in der Station im Untersberg dreihundert Mal langsamer vergeht als hier draußen, wären acht Stunden Schlaf dort drinnen so viel wie für uns 2400 Stunden und das sind einhundert Tage oder anders ausgedrückt drei Monate.“
„Ja, ich verstehe, aber das Wort ‚Winterschlaf‘ klingt doch irgendwie besser als deine Rechnerei“, scherzte Linda erneut.
Wolf nutzte die kalte Jahreszeit dazu, noch weitere Recherchen über den General anzustellen. Er besorgte sich einige Bücher und durchsuchte oft tagelang das Internet nach Informationen über Kammler. Die spärlichen Fotos, auf denen er zu sehen war, glichen ihm aufs Haar. Der General war besonders im letzten Kriegsjahr in der Tat einer der mächtigsten Männer im Dritten Reich gewesen. Seine Befugnisse gingen weit über jene von anderen Generälen hinaus. Weshalb war aber Kammlers Name damals beim Kriegsverbrecher-Tribunal in Nürnberg so gut wie nie vorgekommen? Interessanterweise war er auch nicht in Abwesenheit angeklagt und verurteilt worden wie viele andere. Warum hatte man zu keiner Zeit ernsthaft nach ihm gesucht? Wahrscheinlich, so war Wolfs Schlussfolgerung, glaubte jede der Siegermächte, er wäre bei der Gegenseite untergetaucht und hätte sein Wissen gegen Freiheit getauscht. Damit wäre die Suche nach ihm ohnehin erfolglos geblieben. Kammler hatte also seinen Abgang sehr sorgfältig geplant, so wie alles, was er getan hatte.
Konnte ihm überhaupt etwas angelastet werden? Den besten Beweis dafür, dass dem nicht so war, lieferte ja das Tribunal in Nürnberg selbst. Keine Anklage, keine Verurteilung und auch keine Suche nach ihm.
„Haben wir es also mit einem hochintelligenten Kriegsverbrecher zu tun oder war er ein genialer Organisator und Planer?“, fragend blickte er Linda an. Linda entgegnete:
„Aus seiner Sicht hat nichts, was er getan hat, mit Unrecht und schon gar nicht mit Verbrechen zu tun. Als pflichtbewusster SS-General tat er alles in seiner Macht Stehende, um seinem Volk, dem Reich und dem Führer zu dienen. Ich glaube aber nicht, dass Hitlers und besonders Himmlers Ideologien auch die seinen waren. Mit allem, was er bisher gesagt hat, macht er für mich nicht den Eindruck eines Verbrechers. Ich würde ihn eher als nüchternen, sehr intelligenten Menschen bezeichnen.“
„Er hat das, was im Dritten Reich geschehen ist, eben aus seiner damaligen Sicht beurteilt. Heute sehen wir das freilich anders.“
„Jeder große Befehlshaber, egal welcher Nation, der in Kriegszeiten Entscheidungen getroffen hat, wäre nach heutiger Sicht ein Verbrecher. Die Pharaonen, welche nicht gerade zimperlich mit ihren Gefangenen umgingen, und auch die römischen Kaiser, deren Massenhinrichtungen mittels Gladiatoren in der Arena uns heute in diversen Filmen zur Unterhaltung dienen. Sie alle fühlten sich im Recht, wenn auch die Menschlichkeit auf der Strecke blieb. Aber der zeitliche Abstand lässt
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