Steine der Macht (German Edition)
Gegenseitigkeit“, sagte Wolf und nahm Platz. Der Kellner brachte eine Flasche Rotwein. „Ich habe da eine Frage, da Sie mir heute vormittags schon über den Stein, der vor über einhundert Jahren in der Cheops-Pyramide von einem Ihrer Landsleute gefunden wurde, erzählt haben. Was glauben Sie, wofür war dieser Stein gedacht? Was war seine Funktion?“
Der Professor blickte Wolf prüfend an, als wäre er sich noch nicht ganz sicher, ob er ihm trauen könne. Schließlich fing er aber dann doch an: „Sie wissen doch sicher, dass vor einigen Jahren ein deutscher Ingenieur mit einem ferngesteuerten Raupenfahrzeug diesen südlichen Schacht in der Königinnenkammer der Cheops-Pyramide untersucht hat. Auch auf der Nordseite der Kammer existiert ein ebensolcher. Diese beiden quad-ratischen Schächte sind sehr klein, sie haben nur 20 mal 20 Zentimeter, sind aber fast sechzig Meter lang. Die Bilder der eingebauten Videokamera, des Roboters, waren fantastisch. Als der Ingenieur dann am oberen Ende dieses Schachtes eine Verschlusstüre entdeckte und weiterforschen wollte, hat ihn Dr. Hamam kurzerhand gestoppt. Das ist hier in Ägypten anscheinend so üblich. Denken Sie nur an Howard Carter, den Entdecker des Tut Anch Amun Grabes. Auch dieser wurde von den Behörden, die unbedingt den Ruhm für ihre eigenen Landsleute einheimsen wollten, gestoppt.
Nun, dieser Dr. Hamam ist noch um eine Spur ehrgeiziger als seine Kollegen von damals. Er ließ, als es ersichtlich wurde, dass es in der Pyramide noch unentdeckte Gänge geben musste, alle Vermutungen als Geschwätz darstellen. Sogar den Leiter des deutschen Forschungsinstituts hat er dazu gebracht, solchen Unsinn zu verbreiten. Er selber aber ordnete den Durchbruch eines Ganges oberhalb der großen Galerie an, von wo aus es auf dem kürzesten Weg möglich war, zu der vom deutschen Ingenieur vermuteten Kammer zu gelangen.“
„Ja“, sagte Wolf, „ich habe davon gehört, aber da dürfte wohl nichts dabei herausgekommen sein.“
„Von wegen, Dr. Hamam hat sehr wohl etwas gefunden. Er hat aus diesem Grunde sogar eine Überwachungskamera dort beim Durchbruch an der Decke der großen Galerie installieren lassen. Die Gerüchte um ein bisher unentdecktes Labyrinth in der Pyramide kamen uns bereits kurz danach zu Ohren. Offiziell gab es gar nichts zu hören. Auch nicht, weshalb der Zutritt zur Pyramide gesperrt war. Es ginge lediglich um sogenannte Renovierungsarbeiten. Im vorigen Jahr, zum Bayram Fest, am Ende des Ramadan, als alle Moslems feierten, haben dann einige meiner Kollegen diesen von Hamam errichteten Schacht untersucht. Die Aktion war gar nicht so schwierig. Sie mussten jedoch vorher die Kamera außer Betrieb setzen. Zuerst schraubten sie die Sicherung in dem kleinen Stromverteiler vor der Pyramide heraus und legten ein Stück Papier dazwischen, bevor sie sie wieder hineindrehten. Dann warteten sie, bis alle Wärter nach Sonnenuntergang beim Festmahl waren. Alles andere war einfach. Sie stiegen die Leiter, welche am Ende der großen Galerie stand, hinauf und krochen etwa zwanzig Meter durch den neu errichteten Durchbruch, als sie sich plötzlich in einem schön behauenen, uralten, noch unbekannten Gang befanden. Sie brauchten gar nicht weit zu gehen, da standen sie bereits hinter der Verschlusstüre, welche vom Roboterfahrzeug des deutschen Ingenieurs auf der Innenseite gefilmt wurde. Sie schoben die kleine Steinplatte, welche einen Bronzegriff hatte, zur Seite. Da war aber noch ein zweiter Verschlussstein, einen halben Meter tiefer. Auch diesen öffneten sie und blickten hinunter. An der Wand im Gang, direkt unter dem kleinen Schachtausgang, befanden sich mehrere bronzene Haken. Meiner Vermutung nach wurde der Stein, welcher heute im Britischen Museum liegt, an einem langen Seil befestigt und mit Schwung hinuntergeworfen, damit er nahe an der Wand zur Königinnenkammer zu liegen kam. Dies würde auch den gebrochenen Boden auf den ersten drei Metern des Schachtes erklären. Dort hätte der schwere Stein ja jedes Mal aufschlagen müssen und somit den Boden beschädigen. Mittels der Bronzehaken an der Wand konnte man den Stein am Seil etwas zurückziehen, das Seil dann dort einhängen und den schwarzen Stein auf diese Weise in eine zentimetergenau definierte Entfernung von der Königinnenkammer bringen. Meine Leute gingen weiter und kamen an die gegenüberliegende Innenseite der Pyramide. Dort fanden sie ebenfalls, genau wie an der Südseite, zwei steinerne
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