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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Staatsgebildes,
das als fleischfressende Pflanze zu bezeichnen nur bedingt richtig wäre, da
schließlich die Tentakel nicht nur einen Fangschleim absondern, sondern zudem
ein penetrant riechendes Sekret zur Fernhaltung von allem Unerwünschten.
    Rosenblüt hatte nicht im geringsten ein Problem, diese in
dicken, grünen Kampfanzügen steckenden Polizisten als "Sekret" und "Fangschleim"
zu bezeichnen, nur weil er selbst Polizist war. Er war ja eine ganze andere Art
von Polizist. Ganz ohne Tentakel, ohne Analdrüse, zwar Teil des
Staatsapparates, aber ... nun, er fühlte sich wie die meisten Kriminalisten
eher dem Verbrechen verbunden, natürlich als Bekämpfer desselben, antipodisch,
allerdings auch außerhalb der alltagspolitischen Zusammenhänge stehend, in
eine intime Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse eingebunden. Das war
etwas ganz anderes, als diese breitbeinig aufgestellten Infanteristen in Grün,
die da Abgeordnete schützten, die man eigentlich vors Gericht hätte schleppen
müssen, da sie jedes Recht auf Schutz verwirkt hatten.
    Und während ein Teil der Demonstranten durchaus mit einem
Teil der Ordnungsorgane fraternisierte, wenn auch nur verbal, hätte Rosenblüt
sich niemals dazu hergegeben, mit einem von diesen verdorbenen
Kadettengesichtern und diesen noch viel verdorbeneren Kommandantengesichtern
ein freundliches Wort zu wechseln. - Nun, er war schon ziemlich elitär, unser
Herr Kommissar.
    Wie auch immer. - Als der Demonstrationszug unter einigem
Gelärm in die Königstraße einbog, dorthin, wo das H&M-Volk lebte (denn das
existierte ja weiterhin, unausrottbar, Morlocks, die neuerdings über der Erde
lebten, aber dank eines subterrestrischen Bahnhofs dann wieder mehr Zeit in
Höhlen würden verbringen dürfen) ... in diesem Moment verlor Rosenblüt den
Mann, den er verfolgte.
    "Mist!" sagte Rosenblüt und sah hinunter zu
seinem Begleiter, als wollte er ihm die Schuld geben, dabei hatte sich der arme
Kepler wirklich bemüht, Schritt zu halten. Er hechelte und empfand es als Zumutung,
zu dieser Hechelei gezwungen zu sein. Und jetzt auch noch mit einem
vorwurfsvollen Blick bedacht zu werden.
    Rosenblüt überlegte, ob es möglich war, daß der Mann ...
nun, da er verschwunden war, wählte Rosenblüt einen Namen für ihn aus, und zwar
Cady. So wie die Figur des von Rachegefühlen getriebenen Bösewichts in dem
Film Kap der Angst. - Ja, der Cineast Rosenblüt zitierte
natürlich eine Filmrolle, freilich nicht ahnend, daß damit ein weiterer englischer
Name ins Spiel kam und sich allmählich eine "angelsächsische
Konstellation" ergab: Kingsley, Ratcliffe, Lynch, Burton, York und nun
Cady. Zusammen bildeten sie eine Art von Sternbild innerhalb dieser Geschichte.
Wobei nicht zu vergessen wäre, daß bei einem Sternbild Gestirne zu einer Figur
verbunden werden, obwohl sie in Wirklichkeit Lichtjahre auseinanderliegen und
völlig verschiedenen Systemen angehören. Dennoch bilden sie eine illustrierende
Einheit. Werden Teil eines kartierten Himmels. Einer Orientierungshilfe.
    Doch zurück! Rosenblüt überlegte, ob es möglich war, daß
Cady die Beschattung bemerkt hatte. Gehörte er vielleicht zu denen, die sich
noch an sein, Rosenblüts, Gesicht erinnerten? Schließlich war es noch nicht
allzu lange her, daß der telegene Kommissar mit den Robert-Redford-Zügen immer
wieder mal in den Stuttgarter Medien aufgetaucht war. Andererseits waren für
die meisten Zuseher und Leser sieben, acht Jahre eine Ewigkeit. Manche
erkannten nach so vielen Jahren auf Fotos ihre Kinder nicht.
    Es blieb Rosenblüt nichts anderes übrig, als
weiterzumarschieren, hin und wieder den herüberglotzenden H&M-Morlocks -
die in seinem Fall wohl eher des Hundes wegen herüberglotzten - einen bösen
Blick zu schenken und fortgesetzt nach dem Mann Ausschau zu halten, den er
Cady getauft hatte.
    Ohne ihn aber wieder entdeckt zu haben, gelangte Rosenblüt
in der immer dichter werdenden Menge vor den Bahnhof und an der Front vorbei
zum Nordflügel. In der Luft lag beißender Staub. Der Bagger riß unter den Pfiffen
der Demonstranten Mauerstücke aus der Fassade. Rosenblüt hatte gehört, daß
ursprünglich verkündet worden war, diesen Gebäudeteil Stein für Stein behutsam
abzutragen, nicht zuletzt, da sich womöglich Asbest - nicht gerade ein Freund
der Lungen - in den Räumen verborgen hielt. Allerdings schien es wichtiger zu
sein, machtvolle Zeichen zu setzen. Schließlich waren nicht nur die Gegner
zornig. Auch bei den

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