Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
Vom Netzwerk:
Kommissar, stammen Sie denn nicht selbst
von hier? Sie sind doch der Rosenblüt,
oder?"
    Anstatt Fabian darüber aufzuklären, daß das Aufrechtsein
Münchner Schädel mitunter den fehlenden Hälsen und damit einer gewissen
Unbeweglichkeit der Köpfe zu verdanken war, fragte Rosenblüt erneut, ob er die
Löwen sehen könne.
    "Wenn Sie so darauf bestehen, will ich Ihnen die
Freude machen."
    Rosenblüt und Landau folgten dem so fest dahinschreitenden
Emeritus durch die Räume und ließen sich ein wenig über die Geschichte des
Adiunctenhauses erzählen: über die große Tradition der Verbindung, welche zu
den Gründungsmitgliedern des Rheinischen Rings gehöre, sowie über die wichtige
soziale Bedeutung des Hauses als Unterkunft für Studenten. Überhaupt die
Jugend! Und damit auch das Prinzip des Lebensbundes, ein aus eben dieser Jugend
hervorgesprossenes Gemeinschaftsgefühl, eine Verpflichtung den Bundesbrüdern
gegenüber, die sich ein Leben lang erhalte, während ja so viele andere
Verpflichtungen dem Sturm der Zeit und egoistischen Neigungen erliegen würden.
    Rosenblüt schmunzelte. Er sagte: "Soweit ich gehört
habe, gab es hier mal Probleme mit ein paar Ihrer Aktiven, die den Bund fürs
Leben nicht eingehen wollten."
    "Ach, Herr Kommissar, Ihr spöttischer Ton ist fehl am
Platz. Das ist lange her. Und Reibungen gibt es immer und überall. Wir wären
sonst keine Menschen. Sie müssen verstehen, daß wir zwar eine schlagende
Verbindung sind, es aber verbieten, Ehrenhändel mit der Waffe auszutragen. Das
ist ein wenig - wenn ich so offen sein darf - ein Zugeständnis an die moderne
Zeit. Ein Zugeständnis, das ich nicht unbedingt befürworte, weil die moderne
Zeit leider Gottes ein recht verkrampftes Verhältnis zum Begriff der Ehre hat.
Als sei Ehre, erst recht persönliche Ehre, eine Schande. Wir büßen diese Tugend
ein und halten das auch noch für einen Fortschritt. Bedauerlich! In dieser
Hinsicht sind uns andere Kulturen heutzutage um einiges voraus."
    "Sie mögen die Moderne nicht", konstatierte
Rosenblüt. Man war soeben in den Garten hinausgetreten, ein von hohen Bäumen
eingeschattetes Stück Rasen, wo ein Rest von Abendlicht an die Haltung sich
unterwerfender Hunde erinnerte. Man konnte meinen, das Licht läge auf dem
Rücken. - Apropos, während sich das Licht an dieser Stelle hündisch gab, befand
sich Kepler draußen auf der Straße. Er war nämlich einfach stehengeblieben,
dort, wo die Sonne noch in der Lage war, ein warmes Kissen auf sein Fell zu
betten.
    Rosenblüts Verdacht, Fabian sei ein Gegner der Moderne,
konterte dieser: "Ich bitte Sie, ich bin Geologe. Und außerdem ein
bekennender Freund des Verkehrs. Ein geologisierender Verkehrsapostel. Der Verkehr ist doch nachgerade die Moderne, der Verkehr ist gleich einer
Zukunft, die sich ständig von neuem erfindet. Nur ist der Mensch natürlich
weder eine Autobahn noch eine Schienenstrecke, sondern bewegt sich nur auf
solchen Wegen. Und deshalb muß er die Möglichkeit haben, nach hinten zu
schauen, dorthin, wo seine Väter und Großväter stehen und standen."
    Teska Landau hätte sich jetzt eigentlich einmischen und
erwähnen müssen, daß "dort hinten" wohl gleichermaßen ein paar Mütter
und Großmütter zu finden seien, aber sie unterließ es, vielmehr schaute sie
hinüber zu dem kleinen, leicht erhöhten, von hölzernen Säulen gestützten
Pavillon, der im Moment einem halben Dutzend Herren Platz bot. Sie alle hatten
sich ihrer Sakkos entledigt, das Weiß der Hemden stach aus dem Dunkel hervor,
während die Gesichter sich bereits ein wenig verloren hatten im herabsinkenden
Vorhang der Nacht. Dennoch meinte Kriminalhauptmeisterin Landau einige der
Männer zu erkennen, jemand von der Staatsanwaltschaft war dabei, auch ein
Baumensch, dessen Name ihr gerade nicht einfiel. Ohne Zweifel hingegen
erkannte sie eine Person, der aus dem Weg zu gehen ihr bislang stets gelungen
war: den für den Finanzbereich und Beteiligungsfragen zuständigen Ersten
Bürgermeister der Stadt, der mit seinem ewigen Bubengesicht so wunderbar an
diesen Ort paßte, mit dieser für Burschenschafter typischen Weichheit und
Schwammigkeit der Züge. Eine Weichheit, in welcher der Ruf nach Männlichkeit so
fundamental wie unerfüllbar sich streckte, gleich dem Schrei nach Liebe, der
ungehört verhallt. Männer dieser Güteklasse mochten verheiratet sein, bewundert,
gefürchtet, sie mochten sogar imstande sein, die Welt oder wenigstens eine
kleine Welt in Schutt und Asche zu

Weitere Kostenlose Bücher