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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
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legen, aber ihr Schicksal war, daß Gott
ihnen das Mannsein verwehrte. Keine Mensur konnte daran etwas ändern. Gott
schüttelte angesichts solcher Rituale nur angewidert den Kopf. Ganz klar,
hätten sie gekonnt, hätten diese Männer selbst Gott in Schutt und Asche gelegt.
Aber das spielte es nicht.
    Dabei war dieser Bürgermeistermensch nie Student gewesen.
Egal, er gehörte dennoch an diesen Ort und saß ja auch hier, als Gast, sicherlich,
aber als vertrauter Gast, als Freund der Adiuncten. Das Unglaubliche, so
üblich es sein mochte, ergab sich bloß daraus, welche Masse von Funktionen
dieser Mann, dieses in die Jahre gekommene Bürschlein, innehatte, nicht nur
Finanzbürgermeister, sondern auch Kreisvorsitzender seiner Partei, zudem
umtriebiger Multi-Aufsichtsrat und vielfacher Stellvertretender Vorsitzender.
Mit seinen Fingern rührte er in der Stadt herum.
    Daß dieser Meister rührender Finger zusammen mit seiner
Mutter wegen Beihilfe zur Mißhandlung einer Schutzbefohlenen 1995 vom
Landgericht Stuttgart verurteilt worden war, ein Urteil, das im Folgejahr eine
Bestätigung durch den Bundesgerichtshof erfahren hatte, daran konnten oder
wollten sich nicht alle in selbiger Stadt erinnern. Teska konnte und wollte es,
hatte doch ihre damals beste Freundin, ein seinerzeit begabtes fünfzehnjähriges
Eiskunstlauftalent, in diesem Fall eine entscheidende Rolle spielen müssen. Es
war dabei um den Trainer gegangen, der seine Schülerinnen gequält, verletzt und
sexuell belästigt hatte. Die Perfidie dieses Mannes hatte in dem Ausspruch
gegipfelt: Sie muß mehr Angst vor mir als vor Stürzen haben. Bei einem der
Mädchen hatte selbst deren Vater die Züchtigungen als praktikables Mittel
gebilligt. - Nun, daß Väter ihre Kinder nicht schützen, im Gegenteil, braucht,
so schrecklich es ist, nicht zu überraschen. Und Eiskunstlauf ist
bekanntermaßen die Hölle für Kinder. Könnten diese Trainer und Eltern ihre
Schützlinge solcherart zum Triumph treiben, sie wären sogar bereit, ihnen die
Zehen abzuschneiden. Es gibt kranke Sportarten, die ziehen kranke Menschen an.
Eiskunstlauf liegt diesbezüglich ganz vorne.
    Für mindestens so schlimm wie werwölfige Trainer und vom
Ehrgeiz zerfressene Eltern hielt Teska seitdem die Funktionäre. Denn diese
verbinden die Krankheit mit der Außenwelt, damit sie sich ausbreiten kann. Und
so mochte es eigentlich nicht verwundern, daß die beiden involvierten
Amtsträger, Mutter wie Sohn, die Handlungen des Trainers nicht nur einfach
willentlich übersehen, sondern diese auch aktiv unterstützt hatten. Sie hatten
nicht die Kinder, sondern die sadistische Praxis des Trainers gefördert.
    Derartiges konnte einen Betrachter fassungslos machen.
Erst recht fassungslos machte nicht nur Teska der Umstand, daß dieser rechtskräftig
verurteilte Eiskunstlauffunktionär, anstatt in Scham und Schuld zu versinken,
ins Kloster zu gehen und sein Bubengesicht auf immer vor der Welt zu verbergen,
nur drei Jahre nach diesem Urteil zum Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktion
seiner Partei gewählt worden war und weitere sechs Jahre später jene Position
eines Finanzbürgermeisters übernehmen konnte. - War denn seine Partei so arm
an Leuten? Oder war es vielleicht so, daß man genau solche Leute
brauchte, ja daß diese Leute sich genau dadurch empfahlen, menschlich versagt
zu haben? Dies zu sagen und dies zu denken, und Teska Landau dachte es, auch
wenn sie es nicht sagte, war keine Ironie und kein Zynismus, sondern eine
Theorie, die sich anbot. Nein, die sich aufdrängte.
    Die Polizistin Landau warf den sechs Weißhemden, die da
unter der Kuppel des Pavillons saßen, einen abfälligen Blick zu, dessen
Abfälligkeit jedoch abstrakt blieb, gewissermaßen unter einer unsichtbaren
Sonnenbrille verborgen. Freilich, die Herren spürten ihn wohl, wandten sich
sofort wieder ab und ihrem Gespräch zu, den Bieren zu, die da kühl und prächtig
auf dem kreisrunden Tisch standen. Landau vernahm noch ein Wort aus dem Mund
des Menschen von der Staatsanwaltschaft, für sie klang es nach "Zicke"
oder "frigide", was auch immer, es brauchte sie nicht zu kümmern.
Sie tat zwei, drei größere Schritte und war somit wieder auf einer Linie mit
Rosenblüt und Fabian.
    Man stand nun vor einer ungefähr zwei Meter hohen, dichten
Hecke, die an der oberen Kante eiförmig zugeschnitten war. Die Hecke als Ganzes
bildete einen durchgehenden, rechteckigen Körper, der auf den ersten Blick
vollkommen geschlossen schien. Doch Fabian

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