Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Löwen weinen
Vom Netzwerk:
Nonchalance seiner famosen Einfalt daran gegangen war, die Oberhand zu
gewinnen. In dieser Welt waren die Maschinen zu Apparaturen geworden. Ihr Spielzeug
hatte die Macht übernommen.
    Ebenso muß nun erwähnt werden, wie vertraut Wolf mit dem
Werk von Edmund Mach, eines entfernten Verwandten, war - nicht zu verwechseln
mit Ernst Mach, dem ungleich berühmteren
österreichischen Physiker, dem wir die gleichnamige Zahl und damit auch eine
Vorstellung von der Geschwindigkeit durch die Luft eilender Artefakte verdanken.
Bei Edmund Mach handelt es sich um einen
österreichischen Schriftsteller, Tennisprofi und Tennislehrer, der auf Grund
einer latenten Schizophrenie in der Landesheilanstalt Gugging und auf Grund
seiner Dichtkunst im dortigen "Haus der Künstler" lebte (man könnte
sagen, österreichischer kann eine Biographie gar nicht sein). Daß Edmund Mach
als der Hervorbringer alleroriginellster Lyrik auf einer Reise 1996 in New York
verstarb, steht ebenso fest, wie es einigermaßen unklar geblieben ist, wie und
wann dieser Mensch eigentlich auf die Welt gekommen war: So, wie er selbst
schreibt, 1929 in Wien als Sohn eines Schlossers und einer Schneiderin? Oder
war er, wie er gleichfalls behauptet hat, bereits "im 1915er Jahr"
als sogenannte Schattengeburt ("Sie kommen von keinen Eltern und sind auf
einmal da.") ins Licht des Lebens getreten, um dann 1929 nochmals in einem
konventionellen Sinne geboren worden zu sein, weil er sich alleine, ohne
Eltern, nicht hatte erhalten können?
    Diese Theorie von der Schattengeburt hatte Wolf Mach von
Jugendtagen an stark beeindruckt, wobei er sich aber stets gescheut hatte, wie
ein paar Verschwörungstheoretiker zu meinen, daß "richtige Geburten"
nie und nimmer auf tatsächliche Zeugungen zurückzuführen sind, sondern bloße
Illusionen darstellen - ganz im Sinne getarnter Schattengeburten und nichts
anderes als ein von Maschinen initiierter künstlicher Befruchtungsvorgang zur
raschen Vervielfältigung des "Spielzeugs". Einer noch weiter gehenden
Interpretation zufolge war dieses ganze Fortpflanzungssystem bedauerlicherweise
außer Kontrolle geraten, und die enorme Vermehrung des Menschen ließ sich
nicht einmal mehr mit Hilfe von Krankheiten, Katastrophen und Kriegen stoppen.
Jedenfalls war hier kein Samen im Spiel, sondern nur ein Spender, während die
Ähnlichkeit der Kinder mit ihren Eltern einzig der "Spielkonzeption"
der Maschinen entsprach. So wie die Menschen den Spiegel der Maschinen darstellten,
sollte eben auch jedes Kind den Spiegel des Erwachsenen bilden ... nun, wie
gesagt, derart gewagte Gedankenspiele hatte Wolf Mach nie ernsthaft weiter
verfolgt, sondern eher die literarische Phantasie seines Verwandten Edmund Mach
als faszinierende Vorstellung verbucht. - Dichter denken, was wir uns selbst
nicht zu denken trauen.
     
    Aber hier in Stuttgart - einem Ort, der für seine magische
Aura bislang weniger bekannt war als für seine Nüchternheit - änderte sich
Machs Haltung. Kein Wunder, war er doch Tag für Tag mit dem im Stuttgarter
Schloßgartenboden versenkten antiken Maschinenkörper konfrontiert, vor allem
mit dessen unerklärlicher Bodenhaftung. Denn selbst der Versuch, der Maschine
quasi den Grund zu entziehen, auf dem sie stand, war gescheitert, da das
Erdreich unterhalb der Zahnradapparatur auf eine Weise verhärtet war, daß kein
Bohrer es durchdringen konnte, ja, man war gezwungen, sich vorzustellen, der
Schloßgarten-Mechanismus ruhe auf einer Erdsäule, die möglicherweise tiefer
reichte, als die braven Stuttgarter Tunnelbauer imstande waren hinabzugraben.
    Gleichzeitig erschien es naheliegend, daß auch das
Erdreich sich wieder normal verhalten, wieder zur üblichen relativen Lockerheit
zurückkehren würde, wenn es gelingen könnte, die Maschine fortzuschaffen.
Jetzt einmal abgesehen davon, daß die Bodenverhältnisse selbst ohne
widerspenstige Maschine und ohne widerspenstige Säule ausgesprochen ungünstig
waren, und zwar des Anhydrits wegen, eines Minerals, das sich ähnlich lästig
wie die im Park und also im Weg stehenden Bäume verhielt. Darum lästig, weil es
sich um ein wasserloses Mineral handelte, welches unter dem Einfluß von
permanenter Flüssigkeitszufuhr zu Gips wird, sein Volumen um die Hälfte erhöht
und die Umgebung zur Seite schiebt, wie man vielleicht sagen kann, ein im
Grunde freundlicher und gutherziger Mensch mutiere unter dem Einfluß von
Alkohol zum rabiaten Arschloch, welches sodann viel mehr Platz in Anspruch
nimmt als

Weitere Kostenlose Bücher