Steirerblut
fahren?«
»Lassen sie dich etwa schon heraus? So, wie du aussiehst?« Andrea schnitt eine Grimasse, um Sandras malträtiertes Gesicht zu imitieren.
»Du bist so gemein«, beschwerte sich Sandra und bemühte sich erneut, nicht zu lachen.
»Klar hol ich dich morgen ab. Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«
»Ein bisschen was einkaufen vielleicht. In meinem Kühlschrank herrscht wie immer gähnende Leere.«
»Darf’s denn irgendetwas Besonderes sein?«
»Nur das Übliche. Du weißt ja, was ich mag und was nicht. Tee hab ich noch genug daheim.«
Andrea nickte und winkte die Kellnerin zum Zahlen herbei. »Danke, Andrea. Was täte ich nur ohne dich?«, meinte Sandra.
Andrea zuckte wortlos mit den Schultern und bezahlte die Rechnung, da Sandra ihre Geldbörse nicht dabeihatte.
»Bis morgen, dann. Neun Uhr dreißig im Foyer.« Sandra küsste die Luft neben Andreas Wangen und lehnte ihr Angebot, sie noch nach oben zu begleiten, ab. Mittlerweile traute sie sich zu, den Rückweg, der hauptsächlich aus einer Liftfahrt bestand, alleine anzutreten. Andrea versprach noch einmal, sie am nächsten Morgen pünktlich abzuholen. Dann machte sie sich auf den Heimweg.
Als Sandra in ihr Krankenzimmer zurückkehrte, stand eine weitere Vase mit weißen Gladiolen auf dem Tisch. Der zweite Strauß war jedoch nicht annähernd so prächtig wie der erste. Dafür steckte ein Kuvert zwischen Stängeln und Blättern.
»Die hat die Schwester eben für dich gebracht«, kommentierte Katharina ihren überraschten Blick.
Die Handschrift war Sandra vertraut: ›Baldige Besserung! In Liebe, dein Max.‹
»Und? Von wem sind diese Blumen?«, wollte Katharina wissen.
»Von meinem Ex«, antwortete Sandra kurz angebunden.
»Echt?«
»Bitte, Katharina. Sei mir nicht böse. Ich möchte mich jetzt nicht mit dir unterhalten. Ich bin ziemlich erschöpft.«
»Schon gut. Ich habe verstanden.« Katharina setzte ihre Kopfhörer auf, um fortan mit beleidigter Miene in den Fernseher zu glotzen. Welch eine Wohltat für Sandra. Sie holte ihr Handy, das sie vergangene Nacht auf lautlos gestellt hatte, aus der Nachttischlade. Der Blick auf die Anruferliste zeigte ihr, dass Bergmann seit heute Morgen dreimal angerufen, aber keine Nachricht auf der Mobilbox hinterlassen hatte. Andreas Anruf, mit dem sie ihren nachmittäglichen Besuch ankündigte, hatte Sandra ebenfalls verpasst, wie ihr die Aufzeichnung auf der Sprachbox verriet. Max hatte geschlagene neunmal versucht, sie zu erreichen. ›Bitte, Sandra. Geh doch endlich an dein Handy! Ich mach mir langsam wirklich Sorgen! Außerdem muss ich dir was Wichtiges erzählen. Bitte, ruf mich zurück. Es ist dringend‹, lautete Max’ letzte Botschaft, die er erst vor einer Viertelstunde hinterlassen hatte. Inhaltlich unterschied sie sich nicht wesentlich von seinen anderen Nachrichten. Außer von der ersten, in der er ihr mitteilte, dass sie Mike soeben in seinem Haus festgenommen hatten. In seinem Haus? Das Haus gehörte doch wohl immer noch ihrer Mutter, wenngleich zu befürchten war, dass diese es längst verpfändet hatte, um dem Sohn aus der Patsche zu helfen. Aber das war Sandra mittlerweile egal. Sie war erleichtert, dass Mike ihr zumindest im Moment nichts mehr anhaben konnte, verspürte jedoch keine Lust, mit Max darüber zu reden. Schon gar nicht, solange ihre neugierige Bettnachbarin lauschte. Sie bedankte sich per SMS für seine Blumen und beruhigte ihn, dass sie am nächsten Morgen bereits entlassen werden würde. Ihren Rückruf versprach sie für das bevorstehende Wochenende. Dann leitete sie die gute Nachricht über Mikes Festnahme an Andrea weiter. Kaum hatte sie die letzte SMS gesendet, folgte prompt Max’ Antwort. ›Wenn es dir besser geht, melde dich! Es ist dringend! Kuss, Max.‹
Was konnte denn schon so dringend sein, dass es nicht noch ein paar Tage warten konnte? Das Wichtigste wusste sie doch bereits: Mike war hinter Schloss und Riegel und würde nicht so schnell wieder freikommen. Dafür würde sie schon sorgen, wenn sie erst einmal wieder gesund war.
Kapitel 11
Samstag, 25. September
Noch vor dem morgendlichen Verbandswechsel packte Sandra ihre Sachen und wickelte den schöneren der beiden Gladiolensträuße in Zeitungspapier ein. Den von Max überließ sie Katharina. Nach der Visite zog sie sich an und verabschiedete sich von ihrer Bettnachbarin. Sie wünschte Katharina baldige Besserung und verschwand, wie sie hoffte, auf Nimmerwiedersehen. Vorerst in die
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