Stella Blomkvist
doch immer noch den
gleichen Humor, Stella.«
Endlich fand ich meinen Wecker unter
der Bettwäsche auf dem Fußboden und warf einen Blick auf das fluoreszierende
Ziffernblatt.
»Du gemeiner Hund! Es ist ja erst
sieben!«
»Da kann ich doch nichts für. Der
Knabe muss noch heute Vormittag vor dem Richter
erscheinen.«
»Besorg wen anders.«
»Er bittet aber darum, dass du
kommst.«
»Es wird aber nicht jedem gegeben,
der bittet.«
»Haha! Wer sagt das?«
»Ich sag das. Zu dir, Herzchen.«
Ȇbrigens tue ich dir einen echten
Gefallen, ich sag’s dir. Das ist ’ne Sache, an der du
deinen Spaß haben wirst.«
»Beglück doch wen anders!«
»Es wär jedenfalls mal eine
Abwechslung von deinem üblichen Kram, die Schulden von
anderen Leuten einzutreiben.«
»Kleinkriminelle sind doch alle
gleich.«
»Einige von ihnen landen manchmal
ganz unerwartet in großen Affären.«
»Wer ist es denn?«
»Saemundur Jónasson.«
»Kenne ich nicht.«
»Doch, doch, du hast ihn schon mal
vertreten. Zweimal, wenn ich mich recht erinnere.
Damals ist er wegen Einbruch und Sachbeschädigung
verknackt worden.«
»Bei mir klingelt’s immer noch
nicht.«
»Mensch! Du musst dich doch an ihn
erinnern! Man sagt, er sei so schön. Soll Frauen ohne Ende haben. Manche nennen
ihn deshalb Sexy Saemi.«
»Aaach, der Saemi! Der ist doch nur
ein kleiner Fisch.«
»Dann ist er jetzt aber verdammt
groß geworden.«
»Wieso?«
»Mord, Stella. Mord.«
Ein Schauer durchlief meinen Körper,
und ich bekam eine Gänsehaut. Wie bei einem unerwarteten Kuss in die Leiste.
Ich setzte mich auf und schüttelte den Kopf, bis mir nicht mehr schwindelig
war.
»Machst du Witze?«, fragte ich.
»Nein, nein, großes
Pfadfinderehrenwort!«
Nichts unterbrach die Stille außer
dem ungeduldigen Rauschen in der Telefonleitung und den Atemzügen des
schlafenden Typen.
»Okay. Ich komme.«
Ich schmiss den Hörer auf die Gabel.
Machte mich auf ins Bad. Drehte die Dusche voll auf. Ließ Lust und Schweiß im
Schampooschaum ersaufen. Der starke, heiße Strahl peitschte meinen Körper.
Gesicht. Schultern. Brüste. Magen. Oberschenkel. Rücken. Hintern. Lockerte die
Muskeln. Machte die Adern weit. Ließ das Blut in Wallung geraten. Verlockend
wie fordernde Hände.
Uff!
Keine Zeit zum Trödeln!
Ich stellte das Wasser ab. Trocknete
mich von oben bis unten ab. Zog mich dann in Windeseile an; Socken, Unterwäsche,
Pullover, Hose, Lederjacke, Winterstiefel. Warf im Schlafzimmer einen Blick in
den Spiegel. Griff mir den Föhn, blies die Feuchtigkeit weg und bürstete mir
dann die Haare so lange, bis mein glänzendes Schmuckstück in Wellen auf die
Schultern fiel. Trug ein bisschen Lippenstift auf. Mehr nicht. An mir werden
die Kosmetikmogule nicht reich.
Dann rief ich ein Taxi und scheuchte
mein nächtliches Spielzeug aus dem Bett. Der Typ war völlig verschlafen und
schlecht gelaunt, während ich ihm in die Klamotten half. Danach schleifte ich
ihn den Gang entlang, die Treppe runter, an meinem Büro im Erdgeschoss
vorbei, zur Eingangstür hinaus und verfrachtete ihn ins Taxi. Der Typ döste
immer noch. War weder richtig im Hier und Jetzt, noch anderswo.
»Ciao, ciao«, sagte ich und knallte
die Autotür zu. Mir fiel noch nicht mal mehr sein Name ein. Warum auch. Er war
schon Schnee von gestern.
Sexy Saemi?
Auf dem Weg durch die dreckige,
verschneite Stadt versuchte ich, mich genauer an ihn zu erinnern. Du hast ihn
vor ein paar Jahren mal vertreten, hatte Raggi gesagt. Vor ungefähr vier.
Vielleicht auch fünf.
Einbruch?
Ja, ganz richtig. Bei einem Großhändler
in der Innenstadt. Die Tour hatte sich nicht gelohnt. Man sagt, er mische
dicke im Drogengeschäft mit.
Sachbeschädigung?
Ach du liebe Zeit, ja! Er hatte ein
Gemälde zerfetzt. Und nebenbei noch auf den glänzenden Tisch des Direktors
gemacht. War
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