Stella Blomkvist
die schokoladenbraunen Augen. »Wenn du wieder hierher zurückkommst,
versuchst du dich zu erinnern, was du wann gemacht hast. Und zwar ganz genau! Du bekommst ja genügend
Zeit dafür.« Er nickt.
»Ich will, dass ich über jedes
Detail Bescheid weiß. Sogar wo du zum Pinkeln ausgestiegen bist. Und wann. Wir
müssen deinen Weg genauestens zurückverfolgen und versuchen, nachzuweisen, wann
du wo warst. Dann wird es wahrscheinlich auch möglich sein, jemanden zu finden,
der sich an dich oder an das Auto erinnert, in dem du gefahren bist.«
»Muss ich
denn weiter hier drin bleiben?«
»Ja sicher! Die werden
Untersuchungshaft beantragen. Mit Sicherheit für einige Wochen. Ich lege
Einspruch ein. Sie kommen durch. Ich lege Berufung beim Obersten Gericht ein.
Da wird es zweifellos genauso laufen. Du sitzt auf jeden Fall ein paar Wochen,
das ist klar. Mach dir keinen Kopf deswegen. Das Essen ist genießbar.«
»Scheiße!«
»Mir etwas vorzunölen hat keinen
Zweck. Wenn du unschuldig bist, solltest du nur darüber nachdenken, was du seit
Freitagmorgen gemacht hast. Jedes Detail. Jede Minute. Wenn du mich anlügst,
sag’s lieber gleich. Ich habe noch genug anderes zu tun.«
»Glaubst du
mir auch nicht?«
Ich starre wieder in die dunklen
Augen, die schnell anfangen zu tanzen wie Quecksilber.
»Was ich glaube, spielt keine
Rolle«, antworte ich schließlich.
»Aber ich sage die Wahrheit! Ich
war’s wirklich nicht!«
Sie öffnen
die Tür.
»Zeit zu gehen«, verkündet der eine
von den Goldjungs. Sie führen Saemi raus auf den Gang.
Raggi bleibt noch kurz bei mir
stehen. »Und?«, fragt er.
»Saemi ist
unschuldig wie ein Babypopo.«
»Was soll
er denn sonst sagen?«
Ich zucke
mit den Schultern.
»Wir
beantragen erst mal vier Wochen«, meint Raggi. »Von jetzt an bin ich bei allen
Verhören dabei«, sage ich und nehme meine Mappe.
»Das ist im
Gesetz so vorgesehen.«
»Dann könnt ihr euch wenigstens
nicht erlauben, ihn fertig zu machen.«
»Pass bloß auf, dass keiner diesen
Mist hört, Stella. Andere könnten dir das krumm nehmen.«
»Ich mein das ernst! Ihr habt keine
Zeugen, keine Tatwaffe, keine Beweise, kein Geständnis! Nur irgendwelche
banalen Streitereien.«
»Wir haben einen starken und
begründeten Verdacht.«
»Es wäre ja nicht das erste Mal,
dass ihr Unschuldige in den Knast schickt.«
Er läuft
rot an.
»Ganz ruhig, Raggi Herzchen. Pass
auf deine Pumpe auf.«
Er hat mir immer noch nicht
verziehen, als wir in den Gerichtssaal kommen. Die Sache ist schnell gelaufen.
Der Richter braucht noch nicht einmal eine Bedenkminute. Vier Wochen
Untersuchungshaft.
4
Im Bett geht’s mir am besten.
Dort liege ich nackt unter der
Bettdecke und lese die Polizeiakte. Als ich nach Hause gekommen bin, habe ich
versucht, noch mal einzuschlafen, aber es hat nicht geklappt. War viel zu
gestresst und überspannt. Deshalb begann ich zu lesen.
Halla wurde zwischen den Nobelsesseln
im Regierungssaal gefunden. Rechts vom Konferenztisch, wo sich die hohen Tiere
über die Wampe streichen und unsere Steuern erhöhen. Auf dem Fußboden war das
meiste Blut. Ein großer, unregelmäßiger Fleck auf dem Teppich. Rotbraun.
Diese Herzchen kriegen dann wohl
einen neuen Teppich.
Dann gab es noch überall
Blutspritzer. Auf den Sesseln. Auf einer Wand. Und auf dem schönen, glänzenden
Regierungstisch.
Richtig echtes Blut auf dem Tisch,
wo die politischen Betonköpfe kaltblütig finanzielle Einschnitte beschließen.
Die wahre Würze beim Einschneiden. Hahaha!
Mir bleibt das Lachen im Halse
stecken.
Raggi hatte nichts von dem erfunden,
was sich am Freitagmorgen abgespielt hat. Halla und Saemi hatten sich
angekeift, dass die Fetzen flogen. Die Leute auf dem Flur und sogar in den
anliegenden Büros hatten die Stimmen
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