Stella Blomkvist
geändert«, berichtet er und hält es für die selbstverständlichste
Sache der Welt, dass der Ministerpräsident, dieser rechtschaffene Ehrenmann,
keine andere Wahl hatte, als die hohen ausländischen Gäste erst aus dem Haus
der Staatskanzlei zu verabschieden, bevor die Ermittlungen der Polizei begannen.
7
Am dritten Tag treffe ich Saemi wieder. Im
gleichen Raum. Am gleichen Tisch. Er ist fleißig gewesen. Hat alles, an was er
sich erinnern konnte, auf ein Blatt notiert. Alles, was ihm passiert war, seit
er am Freitagvormittag aus Hallas Büro gefegt war bis die Polizei bei ihm 24
Stunden später anklopfte.
Er war aufgebracht aus der Stadt
gefahren. Ziellos. Einfach nur weg. Kurz vor Kjós beruhigte er sich langsam
und überlegte, was er tun sollte. Hat dann beschlossen, einen Abstecher in den
Westen zu machen und zum Snaefellsnes zu fahren. Dort hatten seine Eltern auf
einem Bauernhof gewohnt, der schon seit langem verwaist war.
Saemi fuhr also weiter Richtung
Westen und kam tatsächlich ans Ziel, obwohl es auf den vereisten Wegen nur
langsam vorwärtsging. Aber im Westen gab es natürlich außer Ruinen im Schnee
nichts zu sehen. Ein verfallenes Wohnhaus. Umgekippte Zäune. Menschenleere
Einöde.
Nach einem kurzen Aufenthalt kehrte
er wieder zurück nach Reykjavik. Am Freitagabend gegen zehn Uhr fuhr er los
und fuhr die Nacht durch. Kam gegen Morgen in die Stadt und ging sofort ins
Bett.
Ich höre mir schweigend seinen
Bericht an und nehme ihn anschließend auf der Suche nach eventuellen Zeugen
Stück für Stück auseinander.
Saemi behauptet, niemanden getroffen
zu haben, den er kennt. Auf dem Weg zum
Snaefellsnes, wahrscheinlich um sechs Uhr herum, hat er sich
in Borgarnes einen Hamburger gekauft, aber sonst mit
keinem geredet.
Doch, mit einem Jungen, bei dem er
getankt hat.
»Wann war das?«
»Das war ziemlich spät am Abend.
Wahrscheinlich kurz vor Mitternacht.«
»Wo?«
»Wie ich schon gesagt habe, im
Westen.«
»Wo im Westen?«
»Das war halt auf irgend so einem
Bauernhof auf dem Land, wo man auch tanken kann. Ich
bin schon auf Reserve gefahren.«
»Wie heißt der Hof?«
»Keine Ahnung.«
»Hast du keinen Kassenzettel?«
»Kassenzettel?«
»Sag mir, dass du mit Karte bezahlt
hast!«
Er schüttelt den Kopf. Zuckt dann
mit den Schultern:
»Ich zahle immer cash.«
»Wie sah denn dieser Junge aus?«
»Das war einfach so ein ganz
normaler Junge. Rothaarig.«
»Wie alt?«
»Vielleicht im Konfirmandenalter. So
was in der Kante.«
Ein rothaariger Konfirmand? War das
der rettende Strohhalm?
Ich versuche, aus Saemi noch mehr
über die Fahrt herauszuquetschen, aber er hat
nichts Neues mehr zu bieten. Massiert sich nur die dunklen Haarwurzeln seines
Bartes am Kiefer und grinst dümmlich.
»Okay. Erzähl mir was über Halla«,
fordere ich ihn auf.
»Was willst
du über sie wissen?«
»Wie sie
war. Und eure Beziehung.«
»Findest du
es komisch, dass wir zusammen waren?«
»Ihr kommt ja nicht gerade aus dem
gleichen Stall.«
»Wir wussten beide, wie man das Leben genießt.«
»Wann habt ihr
euch kennen gelernt?«
»Das ist allerdings schon ziemlich
lange her. Bevor sie in die Politik ging und eine von den feinen Leuten wurde.«
»Wollte sie
dich loswerden?«
»Unsere Beziehung war nicht so.
Manchmal waren wir zusammen, manchmal nicht, das war alles. Oft haben wir uns
lange Zeit nicht getroffen.«
»Mir wurde da aber etwas anderes
berichtet. Warst du nicht einfach nur ihr neuestes Spielzeug? Hatte sie nicht
schon ziemlich schnell genug von dir?«
Er schüttelt den Kopf: »Wir sind
schon vorher oft zusammen gewesen.«
»Gingen eure Treffen da auch immer
mit Schlägereien aus?«
»Meinst du
diese Streiterei da am Freitag?«
Ich nicke.
»Das war
nichts Ernsthaftes.«
»Ach nein?«
Seine
Unlust ist
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