Stella Blomkvist
gehört. Saemi hatte geschrien: »Ich schlag
dich windelweich, du verdammtes Miststück! Diebische Hure!« Oder etwas in der
Richtung.
Wenn es um ihren verletzten Stolz
geht, sind Männer nie besonders kreativ in ihrer Ausdrucksweise.
Niemand konnte allerdings genau
berichten, um was es in dem Streit eigentlich ging. Halla hatte ihren Kollegen
danach nichts erzählt. Tat so, als wäre nichts passiert.
Cooles Mädchen.
Aber wahrscheinlich war es
Eifersucht. Das meinten jedenfalls die meisten in ihrer Zeugenaussage. Zumal
sich Halla nicht an einen Kerl binden wollte. Sie war selbstständig.
Lebenslustig. Fröhlich. Frei und ungebunden.
Hmmmm ...
Aber was steht hier? Ehrgeizig.
Leichtlebig. Sagte Haukur. Die rechte Hand des Premierministers.
Ich lege die Aussage auf die
Bettdecke, schaue hoch an die weißgestrichene Decke und gehe in der Erinnerung
einige Jahre zurück.
Interessant, dass gerade Haukur
meint, es sich leisten zu können, andere Leute für ihren Ehrgeiz zu
kritisieren. Er stank ja selber meilenweit danach. Schon während des
Jurastudiums war er ständig damit beschäftigt, an seiner Karriereleiter zu
basteln. Bekam dann direkt von der Uni weg eine Stelle bei der Partei. Hat sich
gründlich beim Parteivorsitzenden eingeschleimt und durfte ihn dafür in die
Staatskanzlei begleiten, als die Partei an die Macht kam. Ein echter
Arschkriecher.
Werde am besten mal mit ihm reden.
Alte Bekanntschaft aufwärmen.
5
Ich erreiche Haukur zur Abendessenszeit. Bei ihm
zu Hause.
Beinahe hätte er den Hörer auf die
Gabel geschmissen, aber auch andere können Arschkriecher sein. So gelingt es
mir, ihn am Telefon zu halten.
Ich habe es gleich im Gefühl, dass
er auf Halla nicht gut zu sprechen ist.
»Ich will natürlich nicht schlecht
über Tote reden«, sagt er.
»Aber?«
»Ganz unter
uns?«
»Natürlich.«
»Du weißt doch, manche Frauen legen
es direkt darauf an, vergewaltigt zu werden. Die zeigen das doch deutlich mit
ihrem Verhalten.«
»Hmmhmm.«
»Wenn irgendwer so was an sich
zieht, dann ist das Halla.«
»Ach ja?«
»Sie hat die Männer gewechselt wie
die Unterhosen und sich durch die Betten gepennt.«
»Wirklich?«
»Und sie hat es noch nicht mal
verheimlicht. Ganz im Gegenteil. Sie hat mit den Gefühlen der Männer gespielt.
Man könnte vielleicht sagen, dass jemand Mitleid mit Saemi hatte. Hallas
Verhalten hat ganz einfach starke Reaktionen herausgefordert, auch wenn niemand
hätte absehen können, dass es auf diese Art enden würde.«
»Also hat Halla nur das bekommen, was
sie verdient hat, oder was?«
»Ja, eigentlich schon, obwohl sich
das jetzt, wo sie tot ist, natürlich sehr unhöflich anhört. Aber sie hat wirklich
alles erobert, was einen Schwanz hat, und bildete sich viel darauf ein, wie
freizügig sie sei.«
»Was du nicht sagst! Dann hat sie
sich einfach wie ein Mann verhalten?«
Ein lautes Lachen schallte durch den
Hörer. »Ach ja, richtig«, sagt Haukur, »ich hatte ganz vergessen, dass du auch
eine von denen bist!«
»Von
denen?«
»Ja, von
diesen Emanzen, die alle Männer hassen.«
»Halla war ja wohl kaum so eine ...?«
»Nein, Stella. Man kann über Halla
sagen, was man will, aber sie war vor allem eine Frau.«
»Vermutlich ist sie ziemlich fähig
in ihrem Job gewesen?«
»Sie konnte
schon tüchtig sein.«
»Sie ist immerhin Abteilungsleiterin
geworden! Eine Frau muss sich dafür ganz schön ins Zeug legen!«
»Wie man’s nimmt. Aber natürlich
kann man sich nicht nur in Hollywood hochschlafen.«
Haukur lacht laut über seinen
eigenen Witz. Er ist immer noch der gleiche unerträgliche Arroganzpinsel.
»Hast du vielleicht auch mit ihr
geschlafen?«, frage ich.
»No
comment.«
Als er lacht, muss ich an einen
hässlichen, fetten Fisch denken, der sein
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