Stella Blomkvist
getroffen, den er kannte – niemanden, der seine
Tour bezeugen könnte.
»Saemi wird schon irgendwann
gestehen«, meint Raggi.
»Egal, ob er schuldig ist oder
nicht?«
»Klar ist er schuldig. Das ist doch
offensichtlich. Er hat eine lockere Hand, dieser aufbrausende und eifersüchtige
Choleriker. Er war doch auch bestimmt betrunken oder gedopt. So ist das doch
normalerweise mit solchen Geschichten.«
»Wo ist die Waffe?«
»Wurde bisher noch nicht gefunden.«
»Und blutige Kleidung?«
»Auch nicht.« Raggi rutscht unruhig
auf seinem Stuhl hin und her. Die Rettungsringe auf seinem Bauch wogen auf und
ab wie auf Wellen. »Wir haben natürlich sowohl bei ihm zu Hause als auch im
Auto alles durchsucht, aber haben nichts dergleichen gefunden«, fährt Raggi
fort. »Saemi hat die Kleidung und das Mordwerkzeug irgendwo verschwinden
lassen. Das findet sich schon noch. Aber vielleicht gibt er uns in ein paar
Tagen selber den Hinweis, wo die Waffe ist.«
»Hast du gar keine Zweifel?«
»Die Ermittlungen haben natürlich
gerade erst begonnen. Aber alles weist darauf hin, dass Saemi unser Mann ist.
Man muss einen einfachen Mordfall ja nicht komplizierter machen, als er ist.«
Ich stopfe die Unterlagen in meine Aktenmappe.
Die Fotos und die Kopien der polizeilichen Protokolle. Sage lächelnd zu Raggi:
»Na dann woll’n wir mal sehn, wie es eurem Othello ergeht!«
3
Das winzige Gesprächszimmer hat keine Fenster.
In der Mitte stehen ein Tisch und drei Stühle. Grelles Licht von oben.
Sie bringen
Saemi herein und schließen die Tür. »Setz dich«, sage ich.
Er ist
älter, als ich erwartet habe.
Natürlich.
In fünf Jahren ändert sich viel.
Er ist schlank, sonnenstudiogebräunt
und nett anzusehen, aber keine auffallende Sexbombe mehr. Das dunkle Haar ist
kurz geschnitten.
Als ich ihn zuletzt sah, hatte er
eine große Klappe und war sehr von sich eingenommen. Gab einen Scheißdreck
darauf, was andere sagten oder wollten, war sich immer selbst der Nächste und
dachte, ihm gehörten alle Frauen, fetzt steht er unter Hochspannung. Vielleicht
hat er nicht direkt Angst. Aber er ist ein bisschen eingeschüchtert. Unsicher.
»Das ist ja vielleicht ein
Blödsinn«, sagt er und lacht nervös. »Wie in einem abgefahrenen Thriller.«
»Ach ja?«
»Mir wäre doch im Traum nicht
eingefallen, auf Halla loszugehen!«
»Da hat sie
aber was anderes gesagt.«
»Dieser Krach da am Freitag hat doch
nichts weiter zu bedeuten! Das waren doch nur ein paar Worte, die im Streit
gefallen sind. In vielen Ehen passieren täglich Dinge, die noch viel schlimmer
sind!«
»Ihr wart
aber nicht verheiratet.«
»Ich habe Halla nach diesem Krach
noch nicht mal mehr getroffen.«
»Was zu beweisen wäre.«
»Muss man seine Unschuld beweisen?«
»Wie du vielleicht weißt, ist Mord
ein netter Familienspaß«, antworte ich. »Es liegt doch direkt auf der Hand,
den Liebhaber zu verdächtigen. Dich!«
»Liebhaber!« Er winkt entrüstet ab.
»Du klingst, als wüsstest du nicht, dass sie ein ganzes Arsenal von Typen
verschlissen hat!«
»Kurz bevor sie ermordet wurde, hast
du ihr noch alles Übel der Welt angedroht. Und außerdem hast du kein Alibi.«
»Ich bin einfach nur kurz aus der
Stadt gefahren. Wollte einfach irgendwohin fahren, um mich abzureagieren. Du
weißt doch, wie das ist.«
»Nein, weiß ich nicht. Wie ist es
denn?«
Er guckt mich wütend an. Als ich
seinen Blick unerschrocken erwidere, zuckt er nur ratlos mit den Schultern.
»Wo bist du hingefahren?«
»Auf den Snaefellsnes. Zuerst wollte
ich eigentlich gar nicht weit fahren, nur mal gerade raus aus der Stadt. Aber
dann bin ich einfach weiter Richtung Westen gefahren.«
»Gleich stehn wir vor dem Richter
und haben deshalb jetzt nur wenig Zeit«, sage ich und werfe dabei einen forschenden
Blick in
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