Stella Blomkvist
Lippen.
»Vielleicht hast du dich noch
zugekokst, bevor du auf sie losgegangen bist. Davon habe ich keine Ahnung. Aber
versuch nicht, mir weiszumachen, dass du es nicht getan hast. Ich weiß es.«
Ihre Wangen färbten sich rot. »Denk
doch, was du willst«, sagte sie schließlich. »Aber erklär mir doch, wie ich es
getan habe.«
»Wie?«
»Ja, das
scheinst du doch auch zu wissen.«
»Ich denke
schon.«
»Lass mich
nicht vor Neugier sterben.«
»An jenem Freitag warst du in der
Stadt und hast wie immer bei Halla gewohnt. Natürlich hat sie dir von Saemis
Wutausbruch erzählt, den er am Morgen hatte. Könnte ja sein, dass du selber
die Ursache des Streits warst. Sie hatten sich wegen Rauschgift gestritten, das
Saemi bei Halla aufbewahrt hatte. Es würde mich nicht weiter wundern, wenn du
es gestohlen hättest, obwohl sie das vor Saemi nicht zugeben wollte. Vielleicht
war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Oder?«
»Erzähl
weiter!«
»Am Abend musste Halla noch mal in
der Staatskanzlei vorbeifahren, um ein paar Sachen zu erledigen. Du durftest
mit ihr fahren. Das war nichts Besonderes. Vielleicht wolltet ihr ja hinterher
noch ausgehen?«
Sie schweigt.
»Aber das ist nicht so wichtig.
Halla musste, aus welchen Gründen auch immer, nochmal in den Konferenzsaal
der Regierung. Du bist ihr dorthin gefolgt und hast auf sie eingeschlagen. Auf
die gleiche Weise, wie du auch auf mich losgegangen bist. Nur ist es dir
gelungen, deine Tat zu vollenden.«
Lilja Rös guckt auf ihre Hände, die
sie in ihrem Schoß hält. »Du hast noch keine Waffe erwähnt«, sagte sie dann
leise.
»Ach, habe ich das vergessen?«
Sie nickte.
»Ich tippe schon seit längerem auf
die Statue. Dieses moderne Kunstobjekt, das Halla zu ihrem fünfundzwanzigsten
Geburtstag geschenkt bekommen hat.«
Sie erbleicht.
»Ich habe auf einem Video gesehen,
dass Halla die Statue auf ihrem Schreibtisch in der Staatskanzlei stehen hatte.
Aber nach dem Mord war sie nicht mehr da. Die Statue war auch nicht bei ihr zu
Hause. Vielleicht hast du sie nach der Tat in den Hafen geworfen. Oder sie
woanders versteckt. Aber das kommt mit Sicherheit noch heraus.«
Lilja Rös ging langsam ans Fenster
und starrte hinaus. »Wie lange hast du schon den Verdacht?«, fragte sie dann.
»Im Krankenhaus hatte ich genug
Zeit, die ganze Sache zu durchdenken.«
»Aber du
kannst nichts beweisen.«
»Das ist ja
auch nicht mein Job.«
Sie stand immer noch regungslos vor
dem vergitterten Fenster und guckte hinaus, als mich ein Gefängniswärter aus
der Zelle ließ.
An der Pforte treffe ich auf Raggi.
»Wie liefš?«, fragte er. »Überhaupt nicht.«
Erst, als wir uns ins Auto gesetzt hatten
und losgefahren waren, fing er an zu lachen.
»Was ist
denn so lustig?«
»Eigentlich interessiere ich mich ja
gar nicht für das, was Kenner ›die schönen Künste‹ nennen«, erklärte er. »Aber
es wäre mir im Traum nicht eingefallen, dass moderne Kunst geradezu tödlich
sein kann!« Er lachte so heftig, dass seine Speckrollen wie Wellen im Meer auf-
und abwogten.
Also doch.
»Ihr habt
das Gespräch abgehört?«
»Wir haben
uns darauf geeinigt, dass nichts mitgeschnitten
wird. Und das haben wir auch eingehalten.«
»Du hast gewusst, was ich meinte.
Kein Abhören.«
»Versprechen sollen eingehalten werden, Stella. Wortwörtlich.
Darauf baut deine Arbeit als Anwältin.«
»Fahr mich nach Hause.«
»Außerdem hat sie ja gar nichts
gesagt. Du hast die ganze Zeit geredet.«
Und jetzt habe ich endlich das
Gefühl, dass Jackie wirkt und sich im ganzen Körper ausbreitet. Ich leere das Glas und schaue noch eine Weile
auf die beiden Freundinnen auf der Mattscheibe.
Halla und Lilja Rós.
Sie sind zusammen auf Reisen. Da
steht Halla an einem Tag mit strahlend blauem Himmel an einem See. Hinter ihr
sieht man die
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