Stella Blomkvist
Maul aufreißt. Widerlicher Typ.
»Höre ich da einen leichten Ton der
Eifersucht?«
»Jetzt reicht’s aber, Stella!«
»Wo warst du denn eigentlich am
Freitagabend?«
Haukur wird wieder sauer. »Ich
denke, wir beenden jetzt das Gespräch«, sagt er und schmeißt den Hörer auf die
Gabel.
»Idiot!«, sage ich wie zu mir selber
und ärgere mich, dass ich mich von ihm völlig unnötig aufregen lasse.
»Zügele dein Temperament, Stella.
Eine Xanthippe will keiner.«
Sagt Mama.
6
Mord ist ein Festbankett.
Die Pressegeier machen sich in den
ersten Tagen nach dem Mord gierig über alles her, was sie kriegen können. Was
sollten sie auch sonst tun? Eine junge und schöne Frau ermordet am
Konferenztisch der Regierung. Noch besser, wenn es im Ledersessel des
Ministerpräsidenten selbst gewesen wäre. Aber weniger hat auch schon für einige
Titelseiten gereicht.
Auf den verschiedenen Fernsehkanälen
werden Bilder vom Regierungstisch gezeigt. Ohne Leiche. Auch ein Bild von
Halla. Sie rekonstruieren in Details, wo, wann und wie die Leiche gefunden
wurde und zitieren die Goldjungs, dass es sich nur um eine persönliche, nicht aber
um eine politische Tragödie handelte. Ein enger Freund der Verstorbenen sei
bereits festgenommen und zu vier Wochen Untersuchungshaft
verurteilt worden, weil man ihn der Tat verdächtige. Das klingt, als wäre
Saemis Geständnis nur noch eine Formsache, die man bald abhaken könnte.
Der Ministerpräsident äußert sich in
einem Fernsehinterview zur Sache.
»Warum wurde nicht sofort, als die
Leiche gefunden wurde, die Polizei gerufen?«, fragt einer der Pressegeier. »Ist
diese Verzögerung nicht ein schwerwiegendes Vergehen?«
Der Ministerpräsident zeigt sich
gerührt. Ob vom Donner oder vom Mitleid, ist nicht klar erkennbar. Es sei
unglaublich, dass sich ein solches Unglück ausgerechnet in der Staatskanzlei
ereignen muss, in diesem altehrwürdigen, historisch so wichtigen Haus. Und dann
natürlich auch, dass ausgerechnet diese nette Person das Opfer des Gewalttäters
werden muss.
»Das ist unverständlich«, sagt er.
»Aber Gottes Wege ...«
»Warum wurde die Polizei nicht
sofort zum Tatort gerufen?«, wiederholt der Pressegeier seine Frage mit ernster
Miene.
»Das ist doch für alle klar
ersichtlich«, antwortet der Ministerpräsident, und schiebt überlegen sein Kinn
vor, »Wir Isländer konnten doch diese bedauernswerte Tat nicht zum Gegenstand
bilateraler Gespräche werden lassen.«
»Aber ist es nicht wirklich
ungeheuerlich, wenn sogar der Ministerpräsident die Ermittlungen eines
Mordfalls auf diese Weise verzögert?«, fragt der Pressegeier so schockiert, dass die
Skandalträchtigkeit seiner Frage direkt von seiner rotgepunkteten Krawatte zu
strahlen scheint.
Der Ministerpräsident zieht es vor,
diese Frage in einem ausführlichen Monolog zu beantworten. Er redet über
menschliche Gefühle und der Verantwortung von Einzelnen und dem ganzen Land.
Nach dieser langen Rede weiß keiner eigentlich mehr, worauf er hinaus will.
Dann hat er ein Heimspiel.
Saemis Name wird in der Glotze nicht
genannt.Er erscheint nach dem Wochenende in der Montagsausgabe von DV 2 .
Es wird betont, dass er nicht gestanden habe. Diese Typen wissen sich zu
schützen.
Zwischen den Zeilen kann man aber
lesen, dass sich die Pressegeier verarscht fühlen, weil der Schurke so schnell
gefasst wurde.
Nichts Spannendes.
Und dann kann man noch nicht mal auf
den Ministerpräsidenten losgehen, weil ihn sogar der Präsident der Goldjungs
selbst in Schutz nimmt.
»Diese kleine Verspätung bei der
Meldung des Leichenfunds hat nichts am guten und leistungsfähigen Gang der
Untersuchung
Weitere Kostenlose Bücher