Stella Blomkvist
irgendwie in dem Fall drinhängt.«
»Du hast
ein Gefühl? Gefühle beweisen gar nichts.«
»Du sagst es.«
»Mit
Tatsachen bist du auf der sicheren Seite.«
»Ich weiß
das selbst. Aber ich habe trotz aller Tatsachen, die es in dem Fall gibt,
einfach dieses Gefühl.« Der Ober kommt zu uns.
»Kaffee und
Kognak, bitte«, bestelle ich.
Raggi lehnt sich in seinem Stuhl
zurück. »Toll von dir, meine Liebe, so ein Essen!«, schwärmt er mit fast vollkommen
zufriedenem Gesichtsausdruck. »Du lässt es uns ja wirklich ausgesprochen gut
gehen!«
4
Ein ängstliches Mäuschen.
Das ist meine erste Assoziation, als
ich meine neue Mandantin betrachte.
Birna ist klein und schlank, mit
dunklem, glattem Haar, das gerade bis zum Kinn reicht, hat bleiche Lippen und
ein ungeschminktes Gesicht.
Ich setze mich ihr gegenüber an den
Tisch im Gesprächszimmer und überfliege schnell die Papiere, die die Goldjungs
mir vor ein paar Minuten zugesteckt hatten. Sie ist neunzehn Jahre alt. Gerade
von Brasilien gekommen, wo sie nur drei Tage Aufenthalt hatte. Ist auf dem Weg
nach Hause in Kopenhagen zwischengelandet. Wurde in Keflavik auf dem Flughafen
mit zwei Kilo Kokain in der Reisetasche festgenommen. Streitet alles ab.
Behauptet, nicht zu wissen, wie das Kokain in ihre Reisetasche gekommen sei.
Die Goldjungs meinen zu wissen, dass
sie ein Kurier für andere wäre und wollen sie dazu bringen, die Namen der
Hintermänner preiszugeben. Sie fordern zwei Monate Untersuchungshaft.
Birna hält sich immer noch an ihre
ursprüngliche Aussage, dass sie nichts weiß. Das verheißt nichts Gutes für sie.
»Es sieht schlecht aus«, sage ich.
»Aber das ist nicht mein Stoff«,
antwortet sie sofort. »Jemand muss das Zeug in meine Tasche geschmuggelt
haben.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst,
dass dir das einer abnimmt?«
»Aber wenn es doch wahr ist!«
»Ach ja? Was hast du denn eigentlich
in Brasilien gemacht?«
»Ich habe nur meinen Freund
besucht.«
»Du bist um die halbe Welt gereist,
um diesen Freund zu besuchen und dann warst du nur drei Tage bei ihm, wenn ich
dich recht verstehe? Wie kam das denn?«
Die Antwort kommt sofort: »Er hat
mich betrogen. Er hatte eine andere in Rio und hat mich alleine im Hotel
zurückgelassen. Dann bin ich einfach wieder nach Hause geflogen.«
Unglaubwürdige Geschichte?
Natürlich. Aber vielleicht auch so
gelogen, dass sie schon fast wieder wahr sein könnte? Es gibt so viele verdrehte
Sachen auf der Welt.
»Hältst du es für möglich, dass dein
Freund das Rauschgift in der Tasche versteckt hat?«, frage ich.
»Nein, das glaube ich nicht«,
antwortet sie und schüttelt den Kopf.
»Aus diesen Unterlagen geht hervor,
dass du dich geweigert hast, seinen Namen zu nennen. Warum?«
Birna stöhnt selbstmitleidig: »Das
ist ein einziger Albtraum.«
Ich schaue sie streng an und warte
auf eine Antwort.
»Ich glaube einfach nicht, dass er
das gemacht hat«, sagt sie schließlich. »Außerdem wollte ich ihn nicht in
Schwierigkeiten bringen.«
»Ihn in Schwierigkeiten bringen?«,
frage ich fassungslos. »Dein Freund hat dich betrogen!«
Sie schaut auf ihre Hände, die sie
in ihrem Schoß windet.
»Du steckst bis zum Hals in Scheiße,
nicht er!«
Birna antwortet nicht.
»Es könnte dir helfen, wenn du ihnen
sagst, wie dein Romeo heißt.«
Sie schüttelt den Kopf. Ihr
jämmerlicher Gesichtsausdruck geht mir unglaublich auf die Nerven.
»Du musst den Tatsachen ins Auge
sehen«, sage ich scharf. »Die haben dich mit zwei Kilo Dope aufgegriffen. Das
bedeutet mindestens vier Jahre Knast. Und es ist wirklich kein Zuckerschlecken,
einige Jahre hinter Schloss und Riegel zu verbringen, das kann ich dir sagen!«
Sie guckt mich mit großen braunen
Augen an. Vereinzelte Tränen kullern die Wangen hinunter.
»Der einzig mögliche Weg,
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