Stella Blomkvist
Schritten zum
Aktenschrank, öffne die unterste Schublade, greife nach der halb leeren Flasche Jackie Daniels und genehmige
mir einen kräftigen Schluck.
Aaaah!
Nehme dann die Flasche mit zum
Schreibtisch, setze mich wieder vor den Computer und
glotze den Buchstabensalat an.
Was zum Teufel ist das eigentlich?
»Manchmal sieht man vor lauter
Bäumen den Wald nicht.«
Sagt Mama.
Vielleicht hat sie Recht, wie schon
manches Mal zuvor. Vielleicht bin ich irgendwie
computerblind?
Das kann man schnell herausfinden.
Ich genehmige mir noch einen
Schluck. Stelle dann die Flasche auf den Fußboden, lange
nach dem Telefon und rufe meinen Cousin Sindri an. An
so was wird er sicher seine Freude haben.
Kurze Zeit später sitzt Sindri vor
dem Computer.
»Wo ist das Problem?«, fragt er.
Ich reiche ihm die Diskette mit der
Nummer eins.
»Siehst du die hier?«
»Ja sicher.«
»Dann sag mir, was drauf ist.«
»Das kann doch nicht so schwierig
sein!«
Sindri steckt die Diskette ins
Laufwerk und traktiert mit geübten Fingern die Maus.
Fortissimo!
»Da ist eine große Datei drauf«,
sagt er.
»Ach ja?«
»In PGP abgespeichert, wie ich
sehe.«
Er klickt wieder fleißig mit der
Maus herum. Hört dann damit auf und verdreht seine
Augen nach schrägoben, um mich anzusehen, denn ich
stehe hinter ihm.
»Hast du das Programm nicht
gespeichert?«
»Was für ein Programm?«
»PGP natürlich.«
»Wozu brauchst du das?«
»Um die Datei zu entschlüsseln.«
»Entschlüsseln? Ist es denn
verschlüsselt?«
»Das steht hier«, sagt er und zeigt
auf den Bildschirm.
»Ciphertext Datei. Und dann
dahinter: PGP.«
»Aha.«
Sindri guckt mich auf einmal
argwöhnisch an.
»Die Diskette gehört doch dir,
oder?«, fragt er zögerlich.
»Sie ist auf Bitten der Besitzerin
bei mir in Verwahrung.«
»Ach so.«
»Ich muss sehen, was auf ihr
gespeichert ist.«
»Dafür brauchst du erstens PGP. Und
zweitens ...«
Uff! Ich habe genug von dieser
Abkürzung, die er mir so nett um die Ohren haut. »Verdammt
noch mal, was ist das eigentlich?«
Sindri nimmt die Lehrerhaltung ein.
»Das ist eine englische Abkürzung und heißt Pretty
Good Privacy«, doziert er. »Das ist ein tolles
Programm, um Texte zu ver- und zu entschlüsseln.«
»Was du nicht sagst.«
»Es funktioniert wie ein Schloss,
das man abschließt, um etwas wegzusperren. Um zu
vermeiden, dass deine Unterlagen von jemandem Unbefugtem
gelesen werden.«
»Okay. Und wo bekomme ich das Programm?«
»Eigentlich überall. Du kannst es
über verschiedene Adressen im Internet herunterladen. Aber das ist natürlich
nicht genug.«
»Warum
nicht?«
»Du brauchst auch noch den richtigen
Kryptographie-Schlüssel zu dieser Datei.«
»Und wo
bekomme ich den her?«
»Na, bei dem natürlich, der die
Datei verschlüsselt hat.« Er lächelt verlegen.
»Und wenn ich den richtigen
Schlüssel nicht habe?«, frage ich.
»Dann kann man das Dokument nicht
entschlüsseln.«
»Keine Chance?«
»No way.«
»Kannst du
nicht den Schlüssel für mich finden?«
Er überlegt einen Moment. »Wo ist
der Computer, der das Dokument ursprünglich verschlüsselt hat?«
»Er wurde
gestohlen.«
»Ach so.« Sindri zuckt mit den
Schultern. »Dann bist du wohl schachmatt«, sagt er.
»Scheiße!«
Mein Computer schnurrt weiter in die
Stille, als ob nichts sei. Ihm sind meine Probleme natürlich herzlich egal.
»Gibt es
wirklich keine Möglichkeit, den Schlüssel zu knacken?«, frage ich wieder.
»Wirklich gar keine?« Sindri schüttelt den Kopf.
»Was ist denn mit allen diesen
Computerfreaks, die man im Kino sieht? Kinder, die sich
in Computer einhacken und einen Weltkrieg anzetteln?«
»Das gibt’s nur im Film.«
»Scheiß Computergedöhns!«
Es muss doch eine Möglichkeit geben!
Es gibt doch immer eine. Ich gehe im Zimmer auf
und ab. Bleibe dann auf einmal stehen. Lilja
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