Stella Blomkvist
PGP.
Sindri hatte eine Diskette nach der
anderen in seinen Laptop geschoben und die Inhaltsverzeichnisse mit stoischer
Ruhe und Geduld durchsucht.
»Bingo!«,
rief er schließlich.
»Was hast du gefunden?«, fragte ich
und eilte rüber zu ihm.
»Hier ist zumindest schon mal eine
Kopie des Programms«, antwortete er. »Gucken wir uns mal den Schlüsselring
an.«
»Den
Schlüsselring?«
»Das ist eine Art Ablage im Programm
für verschiedene Geheimschlüssel.«
Im Null-Komma-Nix erschien eine
Buchstabenkolonne auf dem Bildschirm.
»Guck mal!«, sagte er. »Hier ist ein
Schlüssel auf ihren Namen!«
»Du bist ein Genie!«, rief ich und
küsste ihn auf den Hinterkopf.
Sindri legte eine neue Diskette ein,
klickte wild auf der Maus herum und schaute dann zu mir. »Jetzt brauch ich nur
noch das Passwort«, sagte er.
»Das
Passwort?«
»Ja, ohne können wir das Dokument
nicht entschlüsseln.«
»Aber ich
habe kein Passwort.«
»Dann musst
du es finden. Sonst hängst du fest.« Immer wieder der gleiche Scheiß!
»Okay. Wie
sieht so ein Passwort aus?«
»Es kann eigentlich alles sein«,
antwortete Sindri und zählte mit Hilfe seiner Finger auf: »Ein Buchstabe oder
mehrere. Eine Zahl oder mehrere. Eine Mischung von Buchstaben und Zahlen. Ein
Wort oder ein ganzer Satz. Egal, was.«
»Das ist doch bescheuert«, sagte ich
und hob abwehrend die Hände.
Sindri lächelte verlegen. »Manchmal
suchen sich die Leute etwas aus, was sie oft ansehen, aber was so alltäglich
ist, dass es niemandem einfallen würde, es mit einem Passwort in Verbindung zu
bringen«, erklärt er weiter. »Der Titel eines Buches zum Beispiel.«
»Um es nicht zu vergessen, oder
was?«
»Genau.«
»Irgendetwas, was gleichzeitig
offensichtlich und völlig absurd ist?«
»Jahaaa. Aber es ist natürlich am
wahrscheinlichsten, dass sie ihr Passwort irgendwo aufgeschrieben hat, im
Kalender oder auf irgendeinen Zettel«, sagte Sindri. »Es kann nämlich niemand
ein verschlüsseltes Dokument öffnen, wenn das Passwort verloren geht – noch
nicht mal der, der das Dokument erstellt hat.«
»Was für’n Scheiß!«
Er guckte beleidigt, als ob ich ihn
privat und persönlich für das größte Verbrechen verklagen würde.
»Nimm mich nicht so ernst«, sagte
ich und klopfte ihm auf die Schultern. »Ich bin einfach nur schlecht drauf.«
Sindri versuchte, ein Lächeln zu
Stande zu bringen und guckte mich mit einem Hundeblick an, der mich
gleichzeitig rührte und nervte.
Mein lieber Cousin hat sich
merkwürdigerweise lange Zeit eingebildet, dass ich eine Art Traumfrau sei. Er
lebt immer noch in der Hoffnung, dass er irgendwann das feuchte Paradies
heimsuchen darf.
Vielleicht. Aber nicht jetzt.
Ich habe ihn nach Hause geschickt
und weiter Hallas Papiere durchsucht. Währenddessen habe ich mich immer wieder
gefragt, warum ich mich noch mit diesem verdammten Kram beschäftige. Tief
drinnen war mir die Antwort natürlich klar. Einfach nur Starrsinn. Ich habe
mich in diesen Sumpf begeben, jetzt muss ich auch selber sehen, wie ich da
wieder herauskomme. Ich vertrage es einfach nicht, mich geschlagen zu geben. So
bin ich einfach. Gebe mich nur mit Tatsachen zufrieden.
Auf dem weichen Bett im rosanen
Schlafzimmer schwebt mein Bewusstsein zwischen Wachen und Schlafen.
Zusammenhanglose Bilder ziehen an meinem inneren Auge vorbei wie
Filmabschnitte im Schnelldurchlauf mit unterschiedlichen Themen. Halla. Saemi. Lilja Rós.
Raggi. Der Premier. Gunnleifur. Haukur. Porno-Valdi. Blaue Tasche. Rauschgift. Computer.
Disketten. Geheimnisse. Passwort. Flugzeug. Benz.
Winzige Puzzleteilchen. Ohne
Zusammenhang.
Aber es gibt trotzdem einen
Zusammenhang. Muss es geben. Warum komme ich nicht drauf?
Halla ist tot. Sie hat von
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