Stella Blomkvist
zurück.
Lege die Hände um die heiße Tasse. Lasse meinen Blick erst über die Decke,
dann über die Wände schweifen.
Nein, leider nicht. Mir fällt nichts
Neues ein.
Schließlich betrachte ich das schöne
Farbfoto, das direkt gegenüber an der Wand hängt. Bewundere das abenteuerlich
blaue Wasser in der Höhle. Lese die Worte unter dem Bild: Grotta azzurra.
Die blaue Grotte.
Was hatte Lilja Rós mir im Winter
über Italien erzählt? Dass die Freundinnen dort öfter zusammen Sommerferien
gemacht haben und dass Halla sich für alles, was italienisch war, so begeistert
hat. Hat sogar Italienisch gelernt.
Italienisch?
Die blaue Grotte? Grotta azzurra.
Ich richte mich im Stuhl auf.
Hat Sindri nicht gesagt, dass manche
etwas als Passwort wählen, was sie oft vor sich sehen? Das konnte natürlich
genauso gut auf Italienisch wie auf Isländisch sein.
Ich stelle die Tasse auf dem
Schreibtisch ab, ziehe Sindris Laptop zu mir herüber und versuche, das Dokument
auf der Diskette Nummer eins mit dem neuen Passwort zu entschlüsseln. Grotta
azzurra.
Der Computer antwortet mir sofort.
Auf Englisch, wie üblich: »Error. Password incorrect.«
Mist!
Auch meine Versuche, die zwei
italienischen Worte in diversen Varianten einzugeben, ändern nichts an der Sache:
Ich bekomme immer die gleiche Antwort.
Verdammt noch mal!
Ich nehme mir wieder meine Tasse,
lehne mich im Stuhl
zurück, trinke mehr Jackie-Kaffee und überlege. Moment mal!
Warum habe
ich denn auf einmal die blaue Grotte als denkbares Passwort benutzt, anstelle
der blauen Tasche? Was war ich für ein dummes Huhn!
Ich schimpfe laut mit mir selber,
während ich das englisch-italienische Wörterbuch aus dem Regal ziehe. Dann
suche ich das italienische Wort für Tasche.
Sacco?
Das war ja
nicht sehr schwierig.
Jetzt nehme ich mir wieder den
Computer vor und versuche, den Text der ersten Diskette aufs Neue zu entschlüsseln.
Als das Programm um das Passwort bittet, schreibe ich »sacco azzurra« und warte
gespannt auf das Ergebnis.
Der Computer antwortet sofort:
»Error: Password incorrect.«
Ich gebe die beiden Wörter in
verschiedenen Schreibweisen ein. Aber das Ergebnis ist immer das Gleiche. Nein
danke.
Uff!
Vielleicht ist ja meine Wortwahl
total falsch? Ich habe nie Italienisch gelernt. Habe überhaupt keine Ahnung von
der Sprache. Außer das bisschen, was alle können: O sole mio!
Mio?
Meine
blaue Tasche? Sacco azzurra mio?
Warum
nicht?
Man kann’s ja noch mal probieren,
einmal mehr oder weniger ist auch egal.
Als der Computer um das Passwort
bittet, gebe ich die neue Antwort ein und mache mir keine großen Hoffnungen,
was die Reaktionen des Computers betrifft. Starre dann ziemlich lange ungläubig
auf den Bildschirm, als dort die englischen Worte erscheinen: »Password
correct. Just a moment ...«
Unglaublich! Ich habe den Schlüssel
geknackt!
Kurz darauf erscheint eine neue
Frage auf dem Bildschirm: »Output Datei already exists. Overwrite (y/n)?«
Ich springe jubelnd auf, grapsche
nach der Tasse, kippe mir den kalten Jackie-Kaffee rein und gröle total unmelodisch:
»O sole mio!«
10
Arschlöcher!
Ich hab doch immer schon gewusst,
dass Politiker selbstdarstellungssüchtige Egoisten sind, die nur darauf aus
sind, möglichst oft vor irgendwelche Kameras zu laufen. Aber dass manche ganz
offensichtlich Kriminelle sind, die es sich genauso leicht erlauben können,
Gesetze zu brechen wie auf Ministerpartys in französischem Rotwein zu
schwelgen, das wusste ich nicht. Jedenfalls nicht, bevor ich Hallas Tagebücher
gelesen hatte.
Ich glaube, ich gehe nie wieder
wählen!
Halla hat einige Politiker bis auf
die Knochen durchleuchtet sowie deren finanzielle Hintermänner und
Weitere Kostenlose Bücher