Stella Blomkvist
paar Meter entfernt von mir stehen. Schaut mich durch die Maske an. Nimmt
dann das Werkzeug in beide Hände. Hebt es hoch über seinen Kopf. Rennt zu mir
und lässt das Brecheisen mit voller Kraft heruntersausen.
Ich rolle mich zur Seite. Höre, wie
das Brecheisen mit aller Macht auf den betonierten Fußboden aufschlägt, genau
dort, wo ich gesessen habe. Der Hieb ist so stark, dass die Waffe dem Angreifer
aus den Händen springt.
Jetzt geht
es um Leben und Tod.
Ich rolle mich wieder zurück. Trete
dem Mann so fest ich kann in die Kniekehlen. Er fällt hin.
Ich stehe auf. Mir ist schwindelig.
Bin immer noch etwas orientierungslos und benommen. Versuche trotzdem, aus dem
Haus rauszukommen.
Aber der Angreifer ist schneller und
greift nach mir. Hält das eine Bein fest, sodass ich lang hinschlage.
Dann legt er seine Hände eng um
meinen Hals. Fasst zu. Drückt und drückt. Ich taste nach seinen Händen.
Versuche, den Griff zu lockern. Aber er ist stärker als ich.
Ich bekomme keine Luft mehr. Fühle,
dass ich ersticke. So ist es also, in den Klauen des Todes zu landen.
Als ich sicher bin, dass alles
vorbei ist, lässt der Druck am Hals nach. Ganz plötzlich! Ich japse nach Luft.
Dann höre ich es auch. Das
Sirenengeheul, das den Angreifer aus dem Takt gebracht hat.
Ich nutze die Gelegenheit. Ziehe die
Beine an. Trete ihn so fest ich kann. Direkt in den Solarplexus.
Der Angreifer landet am oberen
Treppenabsatz auf dem Rücken. Er liegt direkt vor mir und kriegt kaum Luft.
Ich nutze meine letzten Kräfte,
packe seine Füße und schiebe ihn vom Treppenabsatz herunter.
Aus dem Keller ertönt ein Geschrei,
das einem durch Mark und Bein geht. Es vermischt sich mit dem lauter werdenden
Sirenengeheul vor dem Haus. Ich höre in der Ferne Rufe und Schreie vieler
Männer, die ins Haus gerannt kommen.
»Hier ist überall Blut!«, ruft
einer.
Ich sitze benommen auf der obersten
Treppenstufe. Wie zwischen Wachen und Schlafen. Dann kommt jemand und sieht
nach mir. Untersucht mein Gesicht. Wischt mir einen Großteil des Blutes aus dem
Gesicht.
»Wie geht
es ihr?«
Es ist Raggi. Es beugt sich über
mich und fährt gleich fort, ohne eine Antwort abzuwarten: »Ist der Angreifer
immer noch hier?«
»Da unten«, flüstere ich und zeige
auf den Keller.
Raggi geht die Treppe herunter. Ruft
dann: »Bringt einen Scheinwerfer her!«
Ein barmherziger Samariter
beschäftigt sich mit meinem Kopf und dem Hals. Verbindet mich. Gibt mir eine
Spritze.
Für einen Moment weiß ich nicht, ob
ich noch lebe oder schon tot bin, bis ich langsam wieder zu mir komme.
»Wer ist es?«, frage ich Raggi, als
er wieder die Treppe hochkommt.
»Leider habe ich deine Nachricht
viel zu spät erhalten«, antwortet er, streckt seine Hände aus und hilft mir
beim Aufstehen.
»Sie muss sofort auf die
Unfallstation«, sagt der barmherzige Samariter.
»Du willst es doch sicher selber
sehen?«, fragt Raggi. Na klar.
Er stützt mich vorsichtig, während
er mir die Treppe herunterhilft.
Der Angreifer liegt immer noch im
Flutlicht der Goldjungs auf dem Kellerboden am Fuße der Treppe. Er ist genau dort
aufgekommen, wo die Enden der Eisenstangen aus dem Boden hochstehen. Er ist in
eine Stange gefallen, deren blutiges Ende den Körper durchbohrt hat.
Die
Goldjungs hatten die Jacke geöffnet und die Maske abgenommen, sodass ich das
Gesicht erkennen konnte.
Lilja Rós.
Herbst
1
Eigentlich hätte ich mausetot sein müssen.
Das sagten jedenfalls die Ärzte im
Krankenhaus nach der ersten von vielen Operationen. Die Schulter hatte mir mit
Sicherheit das Leben gerettet. Hatte den ersten Schlag gedämpft. Aber deshalb
war sie auch schlimm gebrochen.
Obwohl der nächste Winter vor der
Tür steht, muss ich mich immer noch von dem Angriff erholen. Konnte mich
monatelang nicht um mein Büro kümmern.
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