Stella Blomkvist
ihre Richtung. »Aber hast dich wohl nicht getraut zu antworten, was?«
Sie atmete einmal tief ein. »Nicht,
nachdem du mir von Birnas Festnahme erzählt hast«, antwortete sie dann einfach
gerade heraus.
»Ich?«
»Ja, weißt
du es nicht mehr?«
»Ich habe
dir nie etwas über diesen Fall erzählt.«
»Dann hast du es wohl vergessen.
Unglaublich, wie Alkohol das Gedächtnis beeinflusst. Ich kann mich noch ganz
deutlich erinnern. Falls jemand danach fragen sollte.«
»Danach fragen?«, wiederholte ich.
»Ja, aber dazu wird es wohl nicht
kommen, oder?«
Sie steht auf, geht langsam zur Tür,
nimmt mir den Pager aus der Hand und macht ihn aus. »Wir sollten diese
unerfreuliche Sache vergessen«, sagte sie und lächelte. »Wir sind doch so gute
Freundinnen geworden.«
Für einen Moment fehlten mir einfach
die Worte. Dann bemühte ich mich, meine Wut im Zaum zu halten, die mich schier
überwältigte. »So gute Freundinnen, dass du mich ohne zu zögern anlügst, um
dich selbst zu retten?«, sagte ich ruhig, aber merkte, dass meine Hände vor Wut
zitterten.
»Sei nicht so dramatisch«,
antwortete sie.
Ich drehte mich schnell auf dem
Absatz um und stürmte den Flur entlang auf den Ausgang zu.
»Stella?«, rief Lilja Rós hinter mir
her, bevor ich die Haustür erreichte.
»Was?«
»Du bist immer noch meine Anwältin.
Das bedeutet doch, dass du an die Schweigepflicht gebunden bist und nichts
weitergeben darfst, was zwischen uns gesprochen wird, nicht wahr?«
Verdammte Frechheit!
29
Auf in den Kampf! Für mich und Mammon!
Ich habe uns beide viel zu lange
vernachlässigt. Stehe deshalb früh auf, entschlossen, weder lebende noch tote Gespenster mehr zu jagen und mich
stattdessen auf meine edle Mission als Geldeintreiberin zu konzentrieren.
Keine Ganovenspielchen mehr! Die Krönchen kommen nicht von selber zu mir. Ich
muss sie mir erarbeiten. Muss dreist sein. Es drauf ankommen lassen.
»Dem, der zögert, ist das Glück
nicht hold.«
Sagt Mama.
Ich überfliege während des
Frühstücks einen Artikel im Morgunbladid. Leute vom Rettungsdienst hatten gegen
Mitternacht im Westen das Wrack des Flugzeuges gefunden. Konnten nichts mehr
tun. Waren sicher, dass Saemi auf der Stelle tot war. Game over. Die Ermittlungen
nach der Ursache des Unfalls waren bereits aufgenommen worden, aber es konnte
Tage, wenn nicht Wochen dauern, bis ein Ergebnis vorlag.
Ich ziehe los. Bin den ganzen Tag
unterwegs. Komme erst gegen acht Uhr abends nach Hause. Völlig geschlaucht,
aber um ein paar Krönchen reicher als am Morgen.
Während ich den Anrufbeantworter
abhöre, ziehe ich mir die Klamotten aus. Lilja Rós hat angerufen. Zweimal.
Bittet mich um Rückruf.
Ganz bestimmt nicht!
Die anderen Anrufe sind von
Schuldnern. Sie wollen mit mir besprechen, ob sich eine Zahlungsfrist nicht
verschieben lässt. Oder eine Zwangsversteigerung. Oder dieses und jenes. Das
sind die üblichen Punkte der Tagesordnung. Nichts Besonderes.
Heute gehe ich nicht in die Dusche,
sondern lasse Wasser in die Badewanne einlaufen. Lege mich ins Schaumbad. Spüre, wie das knallheiße
Wasser den Körper nach und nach wieder aufleben lässt.
Das Telefon
klingelt.
Ich gehe nicht dran. Ich genieße es
zu spüren, wie die Müdigkeit langsam mit dem Wasser verdampft. Gehe dabei schon
mal die schwierigsten Rückforderungsfälle durch, die morgen auf mich warten.
Teile mir den Tag ein. Lasse mich von keinem abenteuerlichen Unsinn ablenken.
Schließlich steige ich aus der
Wanne, trockne meinen heißen
Körper sorgfältig ab und lege mich ins Bett. Das Telefon klingelt wieder. Ich
hebe den Hörer ab. Es ist Lilja Rós.
»Bist du
immer noch wütend?«, fragt sie.
»Was hast
du denn gedacht?«
»Was ich gesagt habe, hab ich nicht
so gemeint.«
»Ach,
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