Stella Cadente - Niemals darf es sein
nicht. Es hätte sich wie ein Versprechen angefühlt. Wie das Versprechen, dass sie zurückkehren würde. Aber daran glaubte sie nicht. Zu viel war geschehen, was nicht rückgängig gemacht werden konnte. Was da auch zwischen ihr und Matteo gewesen sein mochte, es war vorbei. Lili musste jetzt nach vorne sehen, es gab keine Zeit zum Trauern. Und doch fühlte sich ihr Herz schwer und leer an.
Stundenlang irrte Lili durch die Stadt. In den Str aßen erwachte das Leben, um sie herum wurde geredet und gelacht, doch sie empfand nur Einsamkeit. Mühsam schleppte sie ihre Tasche mit sich, die immer schwerer zu werden schien, und mit jeder weiteren hoffnungslosen Minute alleine in Florenz fühlte sie sich mehr und mehr gestrandet. Sie kam sich verloren vor und es schien ihr, als würde sie sich selbst nicht mehr finden können. Sie wünschte sich schmerzlich, Matteo wäre bei ihr. Doch war er es nicht gewesen, der sie überhaupt erst in diese Situation gebracht hatte? Lili kam sich töricht und naiv vor. Hatte sie in den letzten Tagen denn nichts dazu gelernt? Matteos Nähe brachte ihr nur Schmerz und Bitterkeit. Und trotz dieser Erkenntnis stellte sie sich vor, wie es wäre, ihm mitten auf der Straße zu begegnen. Er würde ihr sagen, dass er nach ihr suche und dass sie zurück zu ihm nach Hause kommen solle.
Nach Hause.
Bei dem Gedanken wurde Lili warm und kalt zugleich. London war stets ihr Zuhause gewesen, auch wenn das Leben es ihr dort nicht einfach gemacht hatte. Sie arbeitete hart und musste für jede Kleinigkeit kämpfen, die für andere selbstverständlich war. Doch ihre Zeit in Florenz hatten ihre Gefühle verändert. Lili konnte sich sogar vorstellen, hier zu bleiben, in der Stadt, in der sie gezeugt wurde, als könnte sie diese innere Verbindung irgendwie spüren. Und ganz schlagartig wurde ihr klar, dass es nicht an der Stadt lag, dass sie so fühlen ließ.
Der wahre Grund war Matteo.
An das Geländer der Ponte Santa Trinita gelehnt und mit freiem Blick über den Arno bis zur Ponte Vecchio , dachte Lili über ihn nach. Innerhalb kürzester Zeit war es ihm gelungen, ihr Herz zu erobern, ein Verlangen in ihr zu wecken, das sie noch nie zuvor gekannt hatte. Dabei durfte es gar nicht sein. Wie konnte ihr Verstand dies bloß zulassen, wo sie es doch so viel besser wusste? Noch nie hatten ihre Gefühle und körperlichen Sehnsüchte ihren Verstand und ihre Vernunft weggespült, und das machte Lili Angst. Doch gleichzeitig war es befreiend, endlich einmal vernunftwidrig zu handeln.
Zuletzt zumindest war Lili ihr Verstand wie ein Gefängnis vorgekommen.
Jedenfalls hatte Lili nun nicht die geringste Ahnung, wie es weitergehen sollte. In ihren Gedanken Matteo nachzuhängen, brachte sie nicht weiter, und schon gar nicht brachte es ihn zu ihr zurück. Er hatte sie weggeschickt. Der Konflikt mit seinem Vater war ihm wichtiger als sie. Wenn ihm tatsächlich so viel an ihr lag wie er behauptete, warum zeigte er dann kein Interesse, die Wahrheit zu erfahren? Es wirklich zu wissen, und nicht nur daran zu glauben oder das Gefühl zu haben, dass sie nicht Bruder und Schwester waren. Für Lili waren das nur leere Worte ohne Bedeutung. Interessierte Matteo die Wahrheit überhaupt? Oder wollte er sie nur um den Finger wickeln, warum auch immer? Zum Glück hatte Lilis Verstand am Ende wieder überhandgenommen, auch wenn das bedeutete, Matteo zu verlieren.
Aber wie konnte sie etwas verlieren, was nie ihr gehört hatte?
Plötzlich überkam Lili eine betäubende und tiefe Traurigkeit. Sie erinnerte sich an den Abend ihres geplanten Dinners in seinem Haus. Matteo hatte ihr – viel zu übereilt – seine Liebe gestanden. Immer wieder sprach er von ihrer gegenseitigen Anziehung. Seine Liebe und die Anziehungskraft waren für ihn offenbar nicht ausreichend, um für und um Lili zu kämpfen. Ebenso, wie es für sie nicht genug war, blind seinem Instinkt zu folgen. Keine Beweise, kein Wissen, nur Instinkt.
Lili war ihm also nicht genug, und Matteos In stinkt reichte ihr nicht. Dann waren sie jetzt wohl quitt.
I rgendwann an diesem Tag machte sich Lili von den Straßen von Florenz auf den Weg in ihre ungewisse Zukunft. Relativ schnell fand sie ein Hotel, das erst bei Abreise bezahlt werden musste und auch keine Anzahlung verlangte. In den nächsten Tagen würde sie ihr erstes Gehalt aus dem Restaurant bekommen, und dann sah die ganze Sache schon wieder besser aus. Zudem verriet ihr ein vorsichtiger Blick in die neue Unterkunft,
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